Wie Radio Vatikan berichtet, wird Mutter Teresa, die Gründerin des Ordens „Missionarinnen der Nächstenliebe“ am 4. September 2016 von Papst Franziskus heiliggesprochen. Es bietet sich bei der Gelegenheit an etwas näher nachzuschauen: Was sind denn eigentlich Heilige? Seit dem Amtsantritt von Papst Johannes Paul II. hat die Zahl der Heiligsprechungen ganz enorm zugenommen. Wen genau verehren die Katholiken denn da? Was versprechen sie sich von der Heiligenverehrung?
Die Wikipedia, die ja nicht gerade als religionskritisch bekannt ist, schreibt: „Als Heiliger wird ein Mensch bezeichnet, der als einer Gottheit besonders nahestehend beziehungsweise als in religiöser und ethischer Hinsicht vorbildlich angesehen wird.“ Kathpedia fügt hinzu: „Als Heiliger wird ein in religiöser Hinsicht vollkommener Mensch bezeichnet.“ Der Brockhaus definiert Heilige als „Menschen, die in besonderer Weise Vorbilder, Lehrer, Bekenner oder Märtyrer des Glaubens sind.“
Aha, „in religiöser und ethischer Hinsicht vorbildlich“, „religiös vollkommen“, „Vorbilder und Lehrer“ also! Das klingt auf den ersten Blick sehr rational und vernünftig. Ist aber geschummelt. Denn damit eine Person als heilig „erkannt“ wird, muss die Person mindestens zwei „nachgewiesene“ Wunder gewirkt haben. Die Person muss also nicht nur irgendwie vorbildlich, sondern ganz konkret (was auch immer das in diesem Zusammenhang heißt) auch wundertätig sein. Das wird gern hinter rhetorischem Gestrüpp versteckt, denn das ist der katholischen Kirche, die ja ganz besonderen Wert auf ihren „rationalen Glauben“ legt, dann doch eher peinlich.
Ein Wunder, wir erinnern uns, kann definiert werden als das zeitweilige Aussetzen der Naturgesetze durch eine Gottheit zugunsten eines Bittstellers – das kann im Christentum nur Gott selbst.
Bevor Papst Wojtyla im Jahr 2014 heilig gesprochen wurde, begab sich die katholische Kirche auf die Suche nach von ihm ausgelösten Wundern. Offiziell anerkannt wurden die folgenden: Die französische Ordensschwester Marie Simon-Pierre, Mitglied des katholischen Ordens “Kleine Schwestern der Katholischen Mütterschaft” (kein Witz!), litt an Lähmungserscheinungen der linken Hand und des linken Beins, die ein Arzt als Symptome der Parkinson’schen Krankheit diagnostizierte. Als bekannt wurde, dass der von den Kleinen Schwestern hochverehrte Johannes Paul II. selig gesprochen werden sollte, und man deshalb auf der Suche nach einem Wunder sei, begannen die Schwestern ganz doll zu dem verstorbenen Papst zu beten. Und siehe da: Die Lähmung verschwand, herbei gerufene Ärzte fanden keine Spuren einer Parkinson-Erkrankung.
Der Costaricanerin Floribeth Mora Diaz, die ebenfalls unter üblen Lähmungen gelitten haben soll, ist Papst Wojtyla am Tag seiner Seligsprechung im Traum erschienen; „steh auf und hab keine Angst mehr“ habe er zu ihr gesagt. In Folge dessen hätten sich ihre Lähmungen zurück gebildet. Die Frau wirkt fit, von Lähmungserscheinungen ist in der Tat nichts zu sehen. In der völlig unkritischen Berichterstattung der Tagesschau behauptet sie: „So etwas Außergewöhnliches kann nur ein Wunder sein“. Ihr katholisch-gläubiger Hausarzt sieht das genau so.
Die einfachste Erklärungen sind hier natürlich keine vollbrachten Wunder, sondern schlichte Fehldiagnosen: Ein Arzt kann psychosomatisch bedingte Lähmungen durchaus ehrlich für Parkinson gehalten haben. Natürlich finden die nach der “Heilung” herbei gerufenen Ärzte dann keine Spuren der Krankheit. Möglicherweise haben die begeisterten Anhänger ja auch etwas geschummelt, um ihrem Idol zum “verdienten” Seligen-Status zu verhelfen. Als Belohnung für ihre Dienste wurde Floribeth aus Costa Rica zur Heiligsprechung des Ex-Papstes nach Rom eingeladen, was sicherlich einer der schönsten Tage in ihrem Leben war.
In solchen Fällen wird sehr oft von Heilungen von Lähmungserscheinungen berichtet. Dazu stellt sich die Frage: Warum heilt Gott Jahwe eigentlich nie Amputierte? Über Nacht einen neuen Arm wachsen zu lassen, das sollte doch für ein allmächtiges, allgütiges Wesen ebenso einfach machbar sein wie das Heilen von Parkinson. Hat er dazu schlichtweg keine Lust? Bitten die betroffenen Personen ihn nicht inständig genug darum? Das wäre kaum zu glauben. Oder liegt es vielleicht eher daran, dass bei fehlenden Gliedmaßen wohl kaum Fehldiagnosen möglich sind?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage nach dem Wirkmechanismus: Mal angenommen, dass Wunder wirklich real sind, und dass wie von der Kirche behauptet nur Gott selbst die Naturgesetze aussetzen kann. Damit jemand wie Papst Wojtyla Wunder auslösen kann, muss der Heilige zwar tot, aber irgendwie bei Bewusstsein sein. Der tote Papst Wojtyla liest also die Gedanken der Menschen (besonders gut gelingt das offenbar, wenn sie vor seinen Knochen oder einer Glaskapsel mit seinem Blut beten), nimmt die an ihn addressierten Gebete an und spricht bei Gott vor, der dann die Naturgesetze suspendiert und so das Wunder geschehen lässt.
Meine ehrlich ratlose Frage: Wie stellen wundergläubige Katholiken sich das vor? Gibt es eine himmlische Bürokratie? Sitzt der tote Papst Wojtyla in seinem Büro in einem himmlischen Bürokomplex? Liest er Gebetsfaxe von Bittstellern? Und wenn ihm eins gefällt, läuft er dann damit über den Flur zum Chef und fragt „Können wir da etwas tun?“
Von Monotheismus kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Hätten wir eine Zeitmaschine um damit einen Senator aus dem alten Rom in unsere Zeit zu holen, würde der die katholischen „Heiligen“ ganz selbstverständlich als Götter erkennen: „Ihr habt ja auch ganz viele Götter, genau wie wir.“ Und das ist ja auch (haha!) kein Wunder: Die römische Reichskirche – die heutige römisch-katholische Kirche – hat ja wesentliche Teile ihrer Lehre von ihren polytheistischen Vorgängerreligionen übernommen. Die wundertätigen römisch-katholischen Heilige sind deutlich „göttlicher“ als z.B. der vergöttlichte römische Kaiser, der als Verkörperung der Romanitas, des römischen Reichsgedankens, verehrt wurde. Das war der, wir erinnern uns, vor dessen Standbild sich die frühen Christen geweigert haben ein paar Gewürze zu opfern, in der Hoffnung deswegen vom Staat verurteilt und von der beeindruckten Gemeinde als Märtyrer anerkannt zu werden. Heute verehren die Christen ihre heiligen Nebengötter mit viel Inbrunst.
Die Wikipedia schreibt „Der Begriff des Heiligen ist religionswissenschaftlich bisher nicht befriedigend definiert.“ Das ist sehr höflich umschrieben.