In ihrer unendlichen Weisheit verbreiten Kreationisten den folgenden Gottesbeweis: „Die Evolution kann nicht real sein, denn Menschen und Tiere können unmöglich zufällig entstanden sein. Wenn sich komplexe Lebewesen zufällig aus einfachen Bausteinen gebildet hätten, dann wäre das so, als ob ein Sturm über einen Schrottplatz fegt und dabei aus dem Metallschrott zufällig eine Boeing 747 zusammen setzt. Es ist egal, wie viel Zeit dabei verstreicht – auch ein über Millionen von Jahren währender Sturm wird keinen Jumbojet aus einzelnen Schrauben zusammen setzen können. Das ist völlig undenkbar. Bei der Entstehung der Menschen und Tiere muss daher eine Intelligenz steuernd eingegriffen haben. Diese Intelligenz ist Jahwe, der daher existieren muss. Voilá!“
An dieser Argumentation sind verschiedene Punkte falsch. Zuerst mal ist Evolution nicht wie in der Analogie beschrieben ein zufälliges Durcheinanderwürfeln, sondern findet durch natürliche, sexuelle und (seit Bestehen der Ackerbaukulturen) auch künstliche Auslese von Individuen mit kleinen genetischen Variationen statt. Populationen passen sich im Laufe vieler Generationen an ihre Umwelt an; die Umwelt wandelt sich, die Merkmale der Populationen wandeln sich mit. Haben komplexe Lebensformen in einer bestimmten Umwelt einen Überlebens- und Fortpflanzungvorteil, stehen die Chancen gut, dass sie sich im Laufe der Generationen gegen einfachere Wesen durchsetzen.
„Evolution ist ja bloß eine Theorie!“ – „Gravitation auch. Also schweb ab!“
Der Standardeinwand, das sei ja alles bloß Theorie und nie wirklich beobachtet worden, stimmt nicht: Um die kaum übersehbaren Unterschiede zwischen Hunderassen wie Chihuahuas, Pudeln und Dalmatinern entstehen zu lassen, haben die Mechanismen einer künstlichen Auslese von Tieren mit gewünschten genetischen Variationen (sprich: Züchtung) und wenige tausend Jahre Zeit ausgereicht. Als Gegenargument hört man oft, dass dies etwas völlig anderes sei, da Wölfe den verschiedenen Hunderassen „ähnlich“ seien und zudem nicht ausgestorben. Die Zielrichtung dieses Argumentes bleibt unklar: Die heutigen Menschen, Menschenaffen und Neandertaler sind sich auch „ähnlich“, ebenso Äpfel und Birnen als „apfelartige Rosengewächse“. Trotzdem ist es angeblich „undenkbar“, dass sie durch Evolution entstanden seien. Und wieso soll es im Rahmen der genetischen Vererbung eine Rolle spielen, ob eine Spezies ausgestorben ist oder nicht? Gehen die Religionisten davon aus, dass laut Evolutionstheorie bestimmte Merkmale jeweils nur einer Spezies gehören können, so wie ein Erbstück in einer Familie erst weitergereicht wird, wenn der bisherige Besitzer stirbt?
Aber selbst wenn man voraussetzt, dass die Gesetze der Evolution nicht vorhanden oder irgendwie missverstanden worden seien: Der Sprung von „Eine Intelligenz hat steuernd eingegriffen“ zu „Das war Jahwe, der Gott der Bibel“ ist unglaublich weit. Fragt man hier nach, wieso für die Religionisten nicht genauso Lord Krishna, das Spaghettimonster oder Erich von Dänikens technisch überlegende Außerirdische infrage kommen, hört man oft die eher unbefriedigende Antwort „Das steht in der Bibel, an deren Wahrheit glaube ich ganz fest.“ Von der versprochenen, zwingenden Logik des Gottesbeweises ist spätestens jetzt nichts mehr übrig.
Das anthropische Prinzip: Der Jumbo steht nun mal da
Als dritter Punkt (um in der windschiefen Analogie zu bleiben): Der Sturm ist vorbei, das Flugzeug steht nun mal auf den Schrottplatz. Auch wenn es „undenkbar“ erscheint, da steht es in seiner vollen Schönheit. Nun kann man entweder versuchen dieses Rätsel zu ergründen und die Ursachen und Umstände seines Erscheinen zu verstehen. Oder man streckt sofort die Waffen und argumentiert aus dem Unwissen, sagt also „Mir fällt gerade keine Erklärung ein, daher kann es auch keine geben. Das Phänomen muss eine übernatürliche Ursache haben.“ Ebenso wie Blitz und Donner, Dürre und Regen, Krankheiten, das tägliche Aufgehen der Sonne – alles bekanntermaßen verursacht und kontrolliert von Göttern. Jaja.
Gerade Religionisten wundern sich immer wieder, dass Menschen und Umwelt so gut zueinander passen und wie unwahrscheinlich es doch sei, dass die Menschen genau so sind, wie sie eben sind. Hier schlägt das anthropische Prinzip zu: Bei der Bewertung einer Beobachtung (wie den Eigenschaften der Welt oder der Menschen) muss die Existenz der Beobachter mit einbezogen werden. Gäbe es auf der Erde kein flüssiges Wasser, gäbe es auch uns nicht und wir würden uns nicht über unsere (Nicht-)Existenz wundern. Hätten wir anstatt von zehn Fingern vierunddreissig Tentakel, dann würden die Priester der Tentakelgötter predigen, wie arg unwahrscheinlich und außergewöhnlich das Entstehen solcher Lebensformen sei. Wären wir denkender Schleim in Kristallschalen: dito.
Douglas Adams‘ Pfützenparabel hatten wir bereits anderswo zitiert: Eines Morgens wacht eine intelligente Pfütze auf und wundert sich, wie arg unwahrscheinlich es ist, dass die Kuhle im Boden ausgerechnet eine Pfützenform hat. Ganz offensichtlich eine klare Botschaft der Pfützengötter.
Fazit: Die Menschen sind nicht durch zufälliges Durcheinanderwürfeln von Bauteilen entstanden. Die 747-Analogie funktioniert nicht. Die heute bestehenden, komplexen Lebenwesen haben sich in sehr kleinen Schritten und in sehr langen Zeiträumen aus weniger komplexen Wesen gebildet. Dabei spielte vor allem die Überlebensfähigkeit in der jeweiligen Umwelt eine Rolle – Wäre unsere Umwelt anders, wären wir auch anders. Und selbst wenn sich die Evolutionstheorie eines Tages als falsch heraus stellen sollte: Ein Beleg für die Wahrheit irgendwelcher religiösen Vorstellungen wäre das noch lange nicht.
„… als ob ein Wirbelsturm über einen Schrottplatz fegen würde … „
Oft glauben die Leserinnen und Leser nicht, dass Religionisten solch absurd klingenden Argumente wirklich einsetzen. Darum hier ein paar Beispiele:
- „… die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch eine zufällige Laune der Natur ist, ist so hoch als ob ein Wirbelsturm über einen Schrottplatz fegen würde und die Schrottteile zu einer startbereiten Boeing 747 zusammenfügen würde … “ (Zeit online)
- „Wir alle sind Beweise dafür DAS Gott existiert. … dass eine einzige Menschliche Zelle aus Zufall entstanden könnte so unwahrscheinlich ist wie wenn auf einem Schrottplatz ein Wirbelsturm kommt und den ganzen Schrott zusammenwirbelt und daraus eine Boeing 747 entsteht dann muss man doch zum Vernunft kommen“ (Allmystery.de)
- „… , dass das zufällige Entstehen einer einzigen menschlichen Zelle dem Entstehen einer Boeing 747 durch einen über einen Schrottplatz wehenden Wirbelwind gleicht, durch den sich die Schrottteile zu einem abflugbereiten, hochmodernen Jumbo – Jet zusammenmontieren. Ist das möglich??? Kein vernünftiger Mensch würde eine solch irrationale Aussage jemals akzeptieren.“ (Blog Wahre Religion)
- „… auf einem Schrottplatz lägen alle Einzelteile für eine Boing 747 und es fegte ein Tornado darüber, dann würde mit derselben Wahrscheinlichkeit hinterher ein Flugzeug dastehen, das startbereit ist . Das Ereignis ist so zu vernachlässigen, dass sich auch nichts daran ändert, wenn das ganze Universum voller Schrottplätze wäre!“ (Glauben Leben)
- „… Und diese Flugzeug stand dort einfach herum … Mit allem drum und dran: Flügel, Motor und alles was dazu gehört … Schließlich glaubst du auch an den “Erbauer” des Flugzeuges ohne ihn gesehen zu haben … Was ich dir damit sagen will ist, dass du den Schöpfer des Universums nicht unbedingt sehen musst“ (Blog Dienerin Allahs)
- „… Nämlich um die Frage, ob Du mir Folgendes glauben würdest: Ein Tornado fegt über einen Schrottplatz und hinterläßt aus den Schrottteilen eine Boeing 747. Wohl eher kaum. Und gerade das propagieren viele Wissenschaftler, und es glauben die Menschen, die Gott aus eben den Resultaten der Wissenschaft heraus verdammen.“ (Wer weiss was: Gott ist logisch)