„Einstein glaubt aber auch an Gott!“ – Das Argumentieren mit Autoritäten

Ein weiteres Scheinargument, das u.a. von Religionisten häufig genutzt wird, ist die Argumentation mit Autoritäten, auf lateinisch Argumentum ad Verecundiam genannt.

Um eine These (z.B. „Jahwe existiert wirklich!“) zu stützen, zitiert der Argumentierende hier hoch angesehene  Personen, die auf dem fraglichen oder auch einem ganz anderen Feld als Autoritäten gelten. Da Argument klingt dann etwa so: „Die Meinung dieser Person hat sich in den Punkten A, B und C als richtig erwiesen – Daher muss sie auch in Punkt D recht haben! Voilà!“

Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!

Eine von Religionisten häufig genutzte Autorität ist Albert Einstein: „Einstein war ein bedeutender Wissenschaftler, er hat die Physik quasi neu erfunden. Auch er hat an die Existenz Jahwes geglaubt, eine wissenschaftliche Weltsicht und Religiösität widersprechen sich also nicht, sondern ergänzen sich prima!“ – Der Religionist hofft nun, dass der Name Einstein so viel Respekt einflößt, dass sich der Zweifler beschämt verkriecht.

Die Argumentation ist selbstverständlich Quatsch und beweist gar nichts. Wenn eine Person für ein spezielles Wissensgebiet Experte ist, bedeutet das natürlich nicht, dass seine „Strahlkraft“ automatisch auch für alle anderen Gebiete gilt. Und selbst auf dem eigenen Fachgebiet muss die Autorität nicht immer Recht haben. Auch Experten können sich irren – und das tun sie häufig. Wer schon einmal mit etwas verwirrenden Symptomen zu mehreren Ärzten gegangen ist, weiss das: Auch die wohlmeinendsten Fachleute können einem nicht immer sofort weiterhelfen.

Insbesondere geht der Argumentierende durch das verbale Herbeikarren von Autoritäten der lästigen Pflicht aus dem Weg, inhaltliche Argumente für seine Thesen vortragen zu müssen. Ist ja auch blöd, wenn man keine hat. Wenn man also auf die Frage „Und wie begründest du diese Hypothese?“ die Antwort „Jesus meint das auch!“ bekommt, bleibt nur weiterzufragen „Bleib beim Thema! Wie begründest du deine Hypothese?“

Und was meinte Albert Einstein selbst dazu?

Insbesondere im Umgang mit Predigern sollte man zusätzlich noch sehr darauf achten, ob das angebliche (für die Mission des Priesters ja sehr praktische) Zitat überhaupt echt ist. So glaubte Einstein, der von Religionisten immer wieder als Kronzeuge genannt wird, in Wahrheit gar nicht an den aus der Bibel bekannten Gott: Er hatte sich schon früh vom Judentum gelöst und nannte den Jahwe-Glauben „wie alle anderen Religionen eine Incarnation des primitiven Aberglaubens“. Und an einer anderen Stelle: „Es war natürlich eine Lüge, was Sie über meine religiösen Überzeugungen gelesen haben, eine Lüge, die systematisch wiederholt wird. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, sondern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbegrenzte Bewunderung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissenschaft enthüllen kann.“

Fazit: Argumente mit Autoritäten sind Blendgranaten!

Die Argumentation mit Autoritäten wird von Predigern und Theologen sehr häufig genutzt – Überraschend häufig, wenn man bedenkt, wie fadenscheinig und offensichtlich falsch dieser Gedankengang ist. Andererseits: Da es ja keinerlei stichhaltigen Hinweise auf die Wahrheit ihrer Lehren gibt, sind sie natürlich auf dererlei Blendgranaten angewiesen.

“Ich verstehe nichts von Biochemie. Daher muss Gott das Leben geschaffen haben!” – Das Argumentum ad Ignorantiam

Wenn sie auf hartnäckigen Widerstand stoßen, ziehen Religionisten oft ehrlich verwirrt ein Argumentum ad Ignorantiam, also ein Argument mit dem Unwissen oder der Ignoranz.

Wie man beim Lesen des Namens schon ahnt, ist dieser logische Fehlschluss ausgesprochen verbreitet. Das geht dann etwa so: “Die Biochemiker haben bislang keine Erklärung dafür gefunden, wie aus unbelebter Materie belebte Materie wird. Ich kann mir auch keine vorstellen. Es geht also nicht. Daher muss dabei ein höheres Wesen am Werke gewesen sein. Voilà!”

„Ich kann mir keine Erklärung für X vorstellen. X muss also falsch sein!“

Hier wird also eine These (“Sich selbst reproduzierende Einweißmoleküle sind durch Verbindung einfacherer Eiweißmolekülen entstanden”) für falsch erklärt, weil sie bislang nicht experimentell bestätigt werden konnte. Es ist natürlich unmittelbar einsichtig: Dass man keine schlüssige Erklärung für ein Phänomen kennt, und dass einem auch gerade auch keine einfällt, bedeutet nicht, dass es keine gibt. Insbesondere bedeutet es auch nicht, dass man eine willkürliche, übernatürliche Ursache aus dem Hut zaubern darf (“Diese Moleküle entstanden aus dem Nieser des Heiligen Yetis!”), die daher dann zutreffen muss.

Ein anderes beliebtes Einsatzfeld des Argumentum ad Ignorantiam ist die Kosmologie: “Wir Menschen haben bislang keine gute Theorie, warum es den Urknall gab. Daher muss ein Gott das Universum geschaffen haben.”

Der schrumpfende Gott der Lücken

Diese (falsche) Argumentation läuft auf den “Gott der Lücken” hinaus. Alle Phänomene, für die Wissenschaftler noch keine Erklärung gefunden haben, weist man bei dieser Gottesvorstellung Jahwe zu. Bis zur Renaissance war Jahwe so ein vielbeschäftigter Mann, allerdings warnen taktisch kluge Theologen schon seit dem 19. Jahrhunderts vor dieser Gottesvorstellung: Die Lücken im Weltwissen, und damit die möglichen Verstecke für Jahwe, werden immer kleiner.

„Jaja, aber er war doch kein richtiger Christ!“ – Der Unechte Schotte

Merkt ein Verfechter der Religion oder anderer Esoterik während einer Diskussion, dass sich eine Behauptung nicht halten lässt, zieht er gern einen Unechten Schotten aus dem Hut. Mit diesem Scheinargument wird versucht, dem Zuhörer eine neue, für den Argumentierenden bequemere Definition eines Begriffs unterzujubeln. Das geht dann etwa so:

A: “Kein Schotte isst seinen Haferbrei mit Zucker.”

B: “Aber mein Onkel Angus ist Schotte und isst seinen Haferbrei mit Zucker.”

A: “Dann ist dein Onkel Angus eben kein echter Schotte!”

Die Argumentation ist natürlich Unsinn. Die Behauptung (“Kein Schotte isst Zucker”) von Person A wird von Person B als unzutreffend enttarnt, woraufhin A den Gang wechselt und die Behauptung nachträglich ändert (“Kein echter Schotte isst Zucker”). Dabei definiert A den Begriff “Schotte” um von “Person, geboren in Schottland” um zu “Person, geboren in Schottland, die keinen Zucker im Brei mag”. Natürlich folgt aus dieser manipulierten Definition umgehend die Behauptung.

Als Humanist bekommt man den Unechten Schotten oft im Kontext einer Reductio ad Hitlerum um die Ohren gehauen: “Der Hitler war kein Christ sondern Atheist, genau wie du!” – “Hitler war sein Leben lang Katholik.” – “Ach was, er war kein echter Christ! Er hat doch so viele schreckliche Dinge getan.” – Die Auflösung dieses Fehlschlusses bleibt dem Leser überlassen.