Als wir mit dem Podcast angefangen hatten, hielt ich es für eine gute Idee ein paar der klassischen „Gottesbeweise“ durchzusprechen. Ziemlich schnell habe ich dann aber gemerkt, dass das in unserem Podcast-Format nicht allzu gut funktioniert. Würde ich heute also nicht mehr so machen.
Trotzdem habe ich unsere Segmente zu den ontologischen, kosmologischen und teleologischen „Gottesbeweisen“ zu einer Überblicksfolge zusammengeschnitten und noch ein Segment zum Schachmatt für Theisten, also zur Theodizee, dazu gepackt. Vielleicht interessiert’s ja jemanden. Wenn ihr mögt, schreibt mir gern eure Gedanken und Argumente zu dem Thema.
Fragen oder Anmerkungen, Themenvorschläge oder Beschimpfungen bitte unter diesem Artikel in den Kommentaren hinterlassen. Falls ihr mögt, bewertet unseren Podcast doch bei Apple Podcasts und abonniert ihn bei
Im Laufe von vier Jahren haben wir in diesem Blog 35 angebliche Beweise für die Existenz von Göttern, insbesondere für die Existenz des jüdisch-christlich-islamischen Bibel-Gotts Jahwe, näher betrachtet. Diese Argumente werden von Theisten immer wieder vorgebracht um die Korrektheit ihres Glaubens und ihrer Religion zu beweisen. Auf Basis dieser „Beweise“ sehen die Religionisten sich als Hüter ewiger Wahrheiten und Wahrer der „Gesetze Gottes“, die sie nicht nur selbst befolgen, sondern auch – mit struktureller Gewalt über Normen und Gesetze, oder im Zweifel auch mit Macheten und Sprengstoffgürteln – der gesamten Gesellschaft aufdrücken wollen.
Diese „Beweise“ sind jedoch Illusion, kein einziges Argument ist schlüssig. Es gibt im Gegenteil durchaus solide Ansätze (hier und hier), die beweisen, dass zumindest Bibel-Gott Jahwe nicht wie behauptet existieren kann, die abrahamitischen Religionen also ohne jede Faktenbasis sind.
Eigentlich ist dazu alles gesagt. Die religiösen Argumente wiederholen sich, und mit ihnen die dahinter stehenden unwahren Behauptungen und logischen Fehler. Lohnt sich die Mühe auch noch einen vierzigsten und fünfzigsten „Beweisgang“ anzuschauen?
Hier sind die betrachteten Gottesbeweise im einzelnen, lose geordnet nach Typ des zentralen Arguments:
Endlich ist es sicher: Das Christentum stimmt! Das behauptet zumindest der bekannte Kreationist Werner Gitt, der die Korrektheit der christlichen Lehren im Rahmen eines prophetisch-mathematischen Gottesbeweis bewiesen haben will. Werner Gitt ist einer der wenigen Kreationisten mit einer wissenschaftlichen Ausbildung und war vor seiner Pensionierung Ingenieur und Fachbereichsleiter bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Bei fundamentalistischen Christen ist er Posterboy und gilt als Beweis für die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Schöpfungslehre.
Im Gegensatz zu vielen anderen will Werner Gitt mit seinem Argument nicht bloß die Existenz irgendeines unendlich fernen Gottes beweisen, sondern ganz konkret die Korrektheit des Christentums. Dazu hat er sich die Bibel genau angeschaut und 3268 erfüllte, „historisch belegbare“ Prophezeiungen gezählt. Für jede einzelne dieser Prophezeiungen setzt er die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch ohne das Eingreifen eines Gottes erfüllt worden wäre, auf großzügige p=0,5. Die Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche Voraussagen ohne das Eingreifen eines Gottes erfüllt wären, läge demnach bei w = 1,7 * 10-984 . Das ist verdammt unwahrscheinlich. Also schließt Werner Gitt: Ein göttliches Wesen muss eingegriffen haben. Und da nicht irgendwelche allgemeinen Prophezeiungen erfüllt wurden, sondern speziell die christlichen, muss hier ganz eindeutig Bibel-Gott Jahwe aktiv gewesen sein, der daher also existieren muss. Voilà!
Wie üblich lohnt es sich zu Beginn einer Betrachtung die verwendeten Begriffe zu klären. Damit eine Aussage oder Behauptung als gültige Prophezeiung gewertet werden kann, muss sie eine Reihe von Kriterien erfüllen: Sie muss zutreffend sein („Schwarz ist rot und plus ist minus“ ist keine Prophezeiung), sie muss vor dem betreffenden Ereignis gemacht werden („Gestern hatte ich üble Kopfschmerzen“ ist keine Prophezeiung), das Ereignis muss außergewöhnlich sein („Morgen früh wird die Sonne aufgehen“ ist keine Prophezeiung), sie muss exakt sein („Du wirst einen hochgewachsenen Fremden treffen“ auch nicht), und die Prophezeiung darf das Ereignis nicht selbst auslösen („Kellner, ich prophezeie eine Pizza!“ ist kein Wunder). Um das Zutreffen einer Prophezeiung beurteilen zu können, muss die Erfüllung zudem beobachtbar sein: Falls wir nicht beurteilen können, ob das prophezeite Ereignis eintrifft oder nicht, bleibt die Aussage eine bloße Behauptung.
Schauen wir uns nun die von Werner Gitt vorgebrachten Beispiele für „historisch belegbare“ erfüllte Prophezeiungen näher an.
Die Jesus-Prophezeiungen
Werner Gitt zählt eine lange Liste von Prophezeiungen über das Auftreten Jesu auf: sein Geburtsort, seine Abstammungslinie, seine göttlich/menschliche Natur, Details seines Wirkens, der Grund seiner Sendung, der Verrat gegen 30 Silberlinge, etc. Interessanterweise lässt Gitt die Prophezeiung der Jungfrauengeburt aus – nun ja, vielleicht ist ihm diese auf einem simplen Übersetzungsfehler beruhende „Vorhersage“ dann doch zu doof.
Natürlich hat diese Art „Erfüllung“ in einem Text keinerlei Beweiskraft für göttliche Eingriffe. Viel einfacher ist die Erklärung, dass die Autoren der vier in die Bibel aufgenommen Evangelien sich ihre Geschichten ganz bewusst so zurecht gebogen haben, dass ihre Jesus-Figur als Erfüller (der ihnen natürlich bekannten) alttestamentarischen Prophezeiungen dasteht. So lassen sich einige der uns heute etwas absonderlich erscheinenden Geschichten erklären: Um eine Weissagung (siehe Micha 5) über den Geburtsort des zukünftigen Messias der Juden zu erfüllen, musste die Geburt des Jesus von Nazareth mit Hilfe einer an den Haaren herbei gezogenen Volkszählungsgeschichte nach Bethlehem verlegt werden, dort lässt man dann den Herodes ein – erstaunlicherweise von keinem Chronisten erwähntes – Massaker an Kleinkindern ausführen (vage vorhergesagt in Jeremia 31). Jesus selbst schickt später seine Jünger los um einen Esel zu besorgen, damit er wie von Sacharja (Kapitel 9) geweissagt auf dem Tier in die Stadt reiten konnte.
Die Erfüllung der Jesus-Prophezeiungen ist also nicht beobachtbar, sondern bleibt bloße Behauptung durch die Autoren des Neuen Testaments. Ähnlich glaubwürdig wäre z.B. wenn im ersten Band der Harry Potter-Geschichten „Prophezeiungen“ gemacht werden, die dann im zweiten Band „erfüllt“ würden. Auch hier wird kaum jemand an das reale Eingreifen eines Gottes denken.
Die „historischen“ Prophezeiungen
Werner Gitt beschreibt dazu eine Reihe biblischer Prophezeiungen, die, wie er schreibt „historisch belegbar sind“. Los geht’s:
Von einigen mächtigen Völkern (z. B. Hethiter, Amoriter, Kanaaniter) der damaligen Zeit wird vorausgesagt, dass sie untergehen werden (2. Mose 23,23➝5. Mose 7,1).
Der Bibeltext erwähnt sogar noch einige weitere „mächtige“ Völker: Perisiter, Hiwiter und Jebusiter (und ruft, nebenbei gesagt, zum Völkermord an ihnen auf). Und, schon mal von den ach so mächtigen Jebusitern gehört? Nein? Wikipedia schreibt „Die Wissenschaft weiß weder durch archäologische noch durch außerbiblische Zeugnisse Näheres über dieses Volk.“ Ähnlich bei den Hiwitern: Hier bleibt die Frage eines Diskutanten „Gibt es historische Belege außerhalb der Bibel für die Existenz dieses Volkes?“ seit neun Jahren unbeantwortet. Im besten Fall handelt es sich um Dörfler oder Nachbarstämme der Israeliten, im schlechtesten Fall um bloße Erfindungen zum Auspolstern des eigenen Heldenmythos. Diesen für ihn eher peinlichen Teil des Bibelverses lässt Herr Gitt einfach weg.
Für die Existenz der Hethiter, Amoriter und Kanaaniter gibt es allerdings Belege: Die Amoriter waren ein semitischer Stamm am Euphrat des dritten und zweiten Jahrtausends. Das hethitische Königreich in Zentralanatolien ist im 12. Jahrhundert v.d.Z. untergegangen, danach hielten sich einige Kleinkönigreiche noch für einige Generationen, bevor sie von den Assyrern erobert wurden. Auch die kanaanitischen Stadtstaaten im Palästina des 13. Jahrhundert wurden im Laufe der Zeit nach und nach von Nachbarn erobert, ihre Bewohner gingen in den Nachbarvölkern auf.
Kleinere Staaten sind also im Laufe der Jahrhunderte erobert worden oder untergegangen, die betreffenden Stämme sind mit anderen verschmolzen. Was soll daran außergewöhnlich sein? Und – vielleicht wichtiger – woher wollen wir wissen, dass die Vohersagungen tatsächlich vor dem „Untergang“ der betreffenden „mächtigen Völker“ gemacht wurden? Die entsprechenden Bücher Mose haben ihre endgültige Form schließlich erst deutlich später, wahrscheinlich während des 6./5. Jahrhunderts v.d.Z., bekommen. Die Bibel selbst beschreibt, wie eine Schriftrolle im Tempel nachträglich „gefunden“, als Wort Gottes „erkannt“ und als 5. Buch Mose (Deuteronomium) zu den bereits vorhandenen vier Gesetzbüchern gelegt wurde. Ein eindeutiges Werk Gottes? Naja. Ist es nicht zumindest möglich, dass die Priester der Israeliten, trotz ihres angeblich allmächtigen Gottes entführt und unterdrückt von den Babyloniern, hier ihre eigene Heldensaga etwas ausschmücken wollten?
Von anderen Stämmen haben wir wie beschrieben außerhalb der Prophezeiung selbst nie etwas gehört, können also auch nichts zu ihrer Gültigkeit sagen. Den Satz „Und Gott sprach damals: Die Dhsdakjasrkjsdfkjsfd werden vernichtet werden und ihr werdet nie wieder von ihnen hören!“ wird ja wohl auch kaum jemand als gültige Prophezeiung durchgehen lassen.
Von einer Mythengestalt aus dem kaananitischen Pantheon wissen wir allerdings ganz sicher, dass sie es bis in die Gegenwart geschafft hat: Der stets missgelaunte kanaanitische Vulkan- und Wettergott Jahwe wird immer noch verehrt – wenn auch in veränderter Gestalt.
Und von anderen Völkern heisst es ebenso klar, dass sie bis zum Ende der Tage existieren werden: Israel (2. Chronik 9,8; Jes. 45,17), Ägypten (Jesaja 19,21–25)
Was soll man dazu sagen? Ob diese Voraussage zutrifft oder nicht, werden wir erst dann wissen, wenn das „Ende der Tage“ vorbei ist. Eine mögliche Erfüllung bleibt daher unbeobachtbar, die Behauptung kann nicht als erfüllte Prophezeiung gewertet werden.
Die Aufeinanderfolge der Weltreiche der Babylonier, Perser, Alexanders des Grossen und der Römer werden im Voraus in ihrer Art und ihrem Ende in Daniel 2,30–49 beschrieben. Die Prophetie geschah zu einer Zeit, als das babylonische Reich Nebukadnezars den Höhepunkt seiner Macht erreicht hatte.
Die Bibel beschreibt hier also präzise und im Voraus das Aufeinanderfolgen und den anschließenden Untergang von vier genau bezeichneten Weltreichen. Beeindruckend, oder? Das Problem ist nur: Das steht da nicht. Stattdessen wird eine Szene geschildert, in der der selbsternannte Prophet Daniel dem babylonischen König einen Traum deutet: Der König träumt von einem Standbild aus allerlei Materialien, das von einem Stein getroffen umfällt und auseinander bricht. Daniel deutet dies als das Aufeinanderfolgen vierer Reiche: Das erste sei aus Gold, das zweite aus Silber, das dritte aus Eisen und das vierte aus Ton. Die Prophezeiung erfüllt ihren Zweck, der König ist beeindruckt. Wir aber nicht, denn der Text gibt die Identifizierung dieser behaupteten silbernen, eisernen und tönernen Reiche mit Alexanders Feldzügen oder dem Römerreich in keiner Weise her.
Handelt Gitt hier noch in gutem Glauben oder lügt er bewusst? Es bleibt unklar.
Übrigens steht dort auch, dass noch vor dem Untergang des vierten Reiches, also laut Gitt des römischen, das ewige Reich Gottes auf der Erde errichtet werden wird: „Aber zur Zeit solcher Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird“. Dieses Gottesreich auf Erden muss ich bislang irgendwie übersehen haben. Gitt schreibt in seinem Artikel übrigens, „dass nie eine biblische Weissagung durch historische oder wissenschaftliche Tatsachen widerlegt worden ist.“ Ignoranz oder eine weitere Lüge?
Die in Hesekiel 26,3–21 vorausgesagten sechs Gerichte haben sich über Jahrhunderte hinweg präzise erfüllt.
Werner Gitt bezieht sich hier auf die altbekannte Prophezeiung zum Untergang von Tyros im heutigen Libanon: „Siehe, ich will über Tyrus kommen lassen Nebukadnezar, den König zu Babel … Er wird mit Sturmböcken deine Mauern zerstoßen und deine Türme mit seinen Werkzeugen umreißen.“ Und weiter: „Ich will einen kahlen Felsen aus dir machen; du sollst ein Ort werden, wo man die Fischernetze ausspannt, und du sollst nicht wieder aufgebaut werden.”
Im von mir zitierten Teil (Gitt überspringt ihn großmütig) findet sich die exakte Vorhersage, wer denn die Stadt zerstören werde, nämlich „Nebukadnezar, König von Babel“. Nun hat dieser Nebukadnezar Tyros zwar belagert, aber nicht zerstört, und schon gar nicht zu einem „kahlen Felsen“ gemacht. Stattdessen haben sich die Bewohner nach einer langen Belagerung im Jahr 568 v.d.Z. ergeben und dann die babylonische Herrschaft akzeptiert. Mal schauen, was Google Maps dazu sagt, wenn man „Tyros, Libanon“ eingibt …
Hm, nach „kahlen Felsen“ und „nicht wieder aufgebaut“ sieht das nicht aus. Wikipedia spricht von aktuell über 100.000 Einwohnern. Auch die Behauptung, dass Tyros auf die beschriebene Art und Weise untergehen und nie wieder aufgebaut würde, ist also offensichtlich unzutreffend. Gitts Behauptung, dass „nie eine biblische Weissagung durch historische oder wissenschaftliche Tatsachen widerlegt worden“ sei, erscheint immer absurder.
Fazit: Null zutreffende Prophezeiungen, null Beweise für den Bibel-Gott
Werner Gitt gibt in seinem Artikel 14 Beispiele für „eingetroffene Prophezeiungen“, die er für besonders überzeugend hält. Keine einzige hält einer näheren Betrachtung stand. Die Wahrscheinlichkeit, dass zu dieser „Leistung“ das Eingreifen eines Gottes notwendig ist, dürfte bei null liegen. Gitts prophetisch-mathematischer Gottesbeweis für die Korrektheit des Christentum ist gescheitert.
Vor einer Weile bin ich über Ulrich Kritzners offenbar selbst gebastelten „Mathematischen Gottesbeweis“ gestolpert. Zu Herrn Kritzner weiß ich nichts, außer, dass er ab und an fragwürdige Essays zur Zweiweltenlehre (a.k.a. „Wissenschaft kann keine Aussagen über Religion treffen“) und recht zähe Predigttexte veröffentlicht, Unglauben für „Horrorblödsinn“ hält und dazu Kritiker schon mal als „kleines, bitteres, selbstgerechtes Würstchen“ bezeichnet. Nun ja.
Kommen wir zur Sache:
(1) Dieses Universum folgt beobachtbar mathematischen Regeln
(2) Aus (1) folgt, daß das Universum ein mathematisches oder
numerisches System ist
(3) Jedes mathematische System braucht mindestens einen Definitions- und Wertebereich. Den Definitionsbereich stellt die Raumzeit dar, den Wertebereich Materie, Energie und Felder.
(4) Definitions- und Wertebereich sowie mathematische Abhängigkeiten müssen formuliert werden
(5) Für das Formulieren mathematischer Ausdrücke braucht es Intelligenz
(6) Für das Berechnen mathematischer Ausdrücke braucht es Intelligenz
(7) Aus (2) bis (6) folgt, daß dieses Universum eine planvoll handelnde Intelligenz, allgemein als Gott bezeichnet, voraussetzt.
Der Beweisgang scheitert schon mit (1): Nein, das Universum folgt nicht auf geheimnisvolle Weise den Regeln der Mathematik, sondern – umgekehrt – die Regeln der Mathematik wurden von Menschen formuliert um das Universum systematisch zu beschreiben. Sonnenblumen wachsen nicht gemäß der Fibonaccifolge, um dieser „Regel“ zu folgen, sondern die mathematische Regel beschreibt eben das Wachsen dieser Sonnenblumen. Das Volumen eines Planeten wurde nicht so eingerichtet, damit es dem Radius und der dritten Potenz von Pi folgt, sondern die Volumenformeln wurden von Menschen formuliert um diese natürlichen Zusammenhänge zu beschreiben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, Herr Kritzner!
Der Rest ist wie Domino: Aus dem Versagen von (1) folgt auch das Versagen von (2), die Punkte (3) und (4) sind damit unnötig (und inhaltlich sowieso eher zweifelhaft), (5) und (6) sind ebenfalls uninteressant, bleiben völlig unbelegte Behauptungen und sind nebenbei gesagt auch falsch: Computer berechnen mathematische Ausdrücke auch ohne Intelligenz.
Mit dem Wegbrechen von (1) und (2) – und dem Enttarnen von (3) bis (6) als Unsinn oder bestenfalls als überflüssig – ist auch der Schluss (7) hinfällig, der Beweisansatz ist gescheitert. Fraktal gescheitert, könnte man sagen.
Das Würstchen hätte ich gern mit Pommes und Ketchup, Herr Kritzner.
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Das Kalām-Argument für die Existenz eines Gottes ist im Wesentlichen ein sprachlicher Trick, der die allzu offensichtlichen Fehler des klassischen kosmologischen Arguments verschleiern soll. Das kosmologische Argument geht so:
„Nichts ist von sich selbst verursacht. Alles Existierende hat eine Ursache. Dies führt zu einem Regress. Dieser Regress wird durch eine erste Ursache begrenzt, diese nennen wir Gott.“
Religionisten, die so argumentieren, werden meist schon durch ein einfaches „Woher weißt du das?“ aus dem Konzept gebracht. Es ist ja klar: So ein hochkomplexes, mächtiges Wesen wie ein Gott, wie ist das entstanden? Was ist seine Ursache? Der Gott, hören wir dann, sei ewig und ungeschaffen. Eben wurde aber noch vorausgesetzt, dass nichts ursachenlos existieren kann. Der ursachenlose Gott existiert also nicht. Das kosmologische Argument entpuppt sich als Zirkelschluss.
Um das Problem mit diesem infiniten Regress zumindest notdürftig zu stopfen (und dies ist nur eins von vielen Problemen mit dem kosmologischen Beweis), wurde das Kalām-Argument entwickelt:
(P1) Alles, was zu existieren beginnt, hat eine Ursache für seine Existenz. (P2) Das Universum begann zu existieren. (S1) Daher: Das Universum hat einen Ursache für seine Existenz, diese nennen wir Gott.
Darauf folgt in der Regel eine sehr lange, umständliche Begründung von P2, während P1 allenfalls als „trivial“ abgetan wird. Hm, soll mit dieser ausführlichen Beschäftigung etwa von P1 abgelenkt werden?
Ja, in der Tat. Die Religionisten werfen hier nämlich mehrere Bedeutungen des Begriffs „Ursache“ in einen Topf. In der alltäglichen Verwendung hat tatsächlich „alles“ eine Ursache oder einen Schöpfer: Bilder werden von einem Maler gemalt und Autos in einer Fabrik gebaut. Bei dieser Schöpfung oder Ursache handelt es sich aber lediglich um eine Umwandlung bestehenden Materials, eine creatio ex materia: Aus Leinwand und Pigment wird mithilfe eines Pinsels ein Bild, dieser Prozess ist seine Ursache, der Maler sein Schöpfer. Ebenso wird aus Metallerzen und Kohlenstoffen durch Prozesse wie Schmelzen oder Formen ein Auto.
Dieser ex materia Begriff “Ursache” ist jedoch völlig verschieden von der im zweiten Teil des Kalam-Arguments verwendeten Schöpfung ex nihilo, also der behaupteten Schöpfung des Universums aus dem Nichts, dem Nicht-Sein. Durch dieses Springen zwischen Bedeutungen soll der Eindruck erweckt werden, dass die Entstehung des Universums als creatio ex nihilo ebenso eine Ursache voraussetzt wie die einfache Umwandlung von Materie, die creatio ex materia.
Diese versteckt eingebrachte Behauptung ist aber komplett ohne Hinweise auf ihre Korrektheit: Tatsächlich weiß niemand, ob das Universum eine Ursache haben muss, denn niemand hat jemals so eine creatio ex nihilo beobachtet oder damit experimentiert. Es gibt solide Anzeichen dafür, dass man auch ohne externe Ursache auskommt: Kosmologen vermuten natürliche Raumfluktuationen, aus denen aus dem Nichts spontan und völlig ursachenlos Elementarteilchen entstehen, aus denen sich die Welt aufbaut.
Die Religionisten spielen also mit der Erwartung der Leser: Zuerst wird die intuitive Bedeutung des Begriffs „Ursache“ eingeführt, dann zur kosmologischen Bedeutung gewechselt und schließlich so getan, als ob beide Bedeutungen, also creatio ex nihilo und creatio ex materia, das gleiche meinen. Tun sie aber nicht. Ehrliche Religionisten müssten stattdessen versuchen nachzuweisen, dass auch so eine Schöpfung aus dem Nicht-Sein eine Ursache benötigt. Das tun sie aber nicht.
Und selbst, falls das irgendwann irgendwem irgendwie gelingen sollte: Die Bezeichnung einer irgendwie gearteten Ursache des Universums als „Gott“ ist völlig willkürlich. Der logische Sprung von der unpersönlichen Urkraft hin zu Bibel-Gott Jahwe mitsamt Bundeslade, Jesus und Marienwundern – dieser Sprung ist unendlich weit und bleibt völlig ohne jeden Beleg.
Falls sich jemand für einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich Kosmologie und speziell für die Vakuumfluktuationen als Quellen der Materie interessiert, empfiehlt sich Lawrence Krauss‘ kurzes Buch „Ein Universum aus dem Nichts„.
Robert Spaemann ist ein katholischer Theologe, der sich der mäßig interessierten Öffentlichkeit gern als „Naturphilosoph“ vorstellen lässt. Als Höhepunkt seines Schaffens hat Spaemann vor einigen Jahren einen grammatikalischen Gottesbeweis an den Start gebracht. Und der geht (etwas gekürzt) so:
„Das Futurum exactum, das zweite Futur ist für uns denknotwendig mit dem Präsens verbunden. Von etwas sagen, es sei jetzt, ist gleichbedeutend damit, zu sagen, es sei in Zukunft gewesen. In diesem Sinne ist jede Wahrheit ewig […] Das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich.“
„[…] Aber von welcher Art ist diese Wirklichkeit? …] Es hat seine Wirklichkeit eben im Erinnert werden. […] Aber die Erinnerung hört irgendwann auf.“
Wenn die zukünftige Erinnerung auf Vergangenes endet, hat es auch nie eine Gegenwart gegeben: „Der Satz »In ferner Zukunft wird es nicht mehr wahr sein, dass wir heute Abend hier zusammen waren« ist Unsinn. Er lässt sich nicht denken. […] Wer das Futurum exactum beseitigt, beseitigt das Präsens.“ Und das kann nicht sein entsprechend (1.)
„Aber noch einmal: Von welcher Art ist diese Wirklichkeit des Vergangenen, das ewige Wahrsein jeder Wahrheit? Die einzige Antwort kann lauten: Wir müssen ein Bewusstsein denken, in dem alles, was geschieht, aufgehoben ist, ein absolutes Bewusstsein. Kein Wort wird einmal ungesprochen sein, kein Schmerz unerlitten, keine Freude unerlebt. Geschehenes kann verziehen, es kann nicht ungeschehen gemacht werden. Wenn es Wirklichkeit gibt, dann ist das Futurum exactum unausweichlich und mit ihm das Postulat des wirklichen Gottes.“
Zusammenfassend kann gesagt werde, alle Tatsachenwahrheiten sind ewige Wahrheiten. „Keine Tatsache wird jemals wieder falsch. Dies heißt aber, dass weder die Natur noch der menschliche Geist der Ort dieser Wahrheit sein können. Es kann also nur ein unendliches Bewusstsein sein. Ein solches absolutes Bewusstsein können wir nur Gott zuschreiben“
Da ich keine Lust hatte Spaemanns bescheiden betiteltes Buch „Der letzte Gottesbeweis“ zu kaufen, zitiere ich hier aus dem Aufsatz „Glaube und Vernunft“ von Tilo Rabs.
Spaemanns Fehler liegt in der völlig unbelegten Behauptung der Punkte 2 und 3: Faktisches bleibt nicht faktisch, weil sich jemand daran erinnert. Sondern, weil es geschehen ist. Ansonsten wären Fakten, von denen nur ich allein weiß, die ich dann aber vergesse, keine Fakten mehr. Wenn ich aber vor dem Urlaub den Gasherd aufdrehe, schützt mich auch Vergessen nicht vor dem Hausbrand. Ein Baum im Wald fällt auch dann um, wenn niemand zusieht. Daher muss Faktisches auch nicht irgendwie in einem Bewusstsein gespeichert werden.
An diesem Punkt ist die Diskussion eigentlich vorbei: Mit dem Wegfall der Punkte 2 und 3 bricht Spaemanns Ansatz zusammen, der Beweisgang ist ungültig.
Aber die Frage bleibt: Wie kommt Spaemann auf diesen Logikspagat? Ich vermute, dass er sich als Ausgangspunkt in der Welt umschaut und sagt „Hm, es gibt so viel Leid. Es gibt aber ganz, ganz sicher einen allgütigen, allmächtigen Jahwe. Wie kann das sein?“ Seine Lösung für dieses Dilemma ist die vieler Christen: „Ja, wenn du vergewaltigt wirst, dann leidest du zwar, aber der gütige Gott leidet mit dir, und darum ist alles wieder gut.“ Was es mir helfen soll, wenn jemand zuschaut, während ich gefoltert werde, bleibt mir unklar. Na gut. Spaemanns Problem: Wenn es aber Gott mit seinem ewigen Bewusstsein nicht gibt, dann bricht dieses Hilfkonstrukt zusammen und das Leid in der Welt wäre – oh Schreck! – sinnlos. Für Spaemann ein unmöglicher Zustand. Also muss es Jahwe geben. Das ist der Ausgangspunkt für seinen Gottesbeweis: Es gibt den Gott, und um das Leid auf der Welt zu erklären, muss der Gott mit den Menschen mitleiden. Wenn der mitleidende Geist nicht ewig wäre, dann wäre die Erinnerung an geschehenes Leid irgendwann vorbei, das Leid würde also nachträglich sinnlos. Das kann laut Spaemann nicht sein. Also muss der ewige Gott existieren. Punkt.
Kurz: Spaemann setzt also die Existenz seines Gottes voraus, um dann nach einigem (falschen) Argumentieren die Existenz seines Gottes zu folgern. Sein Weltbild bleibt dabei unglaublich verengt und widersprüchlich.
Bewertung des Gottesbeweises: 7/10 Piepvögel, 0/10 Überzeugungspandas.
Ehrlich, der philosophische Gottesbeweis deiner Mutter ist auf jeden Fall besser als der von Klaus Wagn. Wer Klaus Wagn ist, weiß ich nicht. Er sieht sich als Philosoph, und daher, so denkt er offenbar, muss der von ihm selbstgebastelte und ins Netz entlassene Gottesbeweis wohl ein philosophischer sein. Rational, logisch oder auch nur mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbar ist er jedenfalls nicht. Auf besonderen Wunsch hier eine knappe Analyse.
Ich versuche dazu zunächst Klaus Wagns Gedankengänge gekürzt aber sinnerhaltend wiederzugeben. Das ist gar nicht so einfach – und zwar nicht wegen etwaigen philosophischen Tiefgangs. Wagn gliedert seinen Beweis in sechs Abschnitte, die er von eins bis sieben nummeriert. Was dabei aus Abschnitt 3 geworden ist, wer weiß das schon?
1. Es gibt das Materielle und das Immaterielle. Das Immaterielle ist naturwissenschaftlich weder zu widerlegen noch zu beweisen. Naturwissenschaften sind materialistisch.
2. Was etwas ist, wird durch das definiert, was es nicht ist: Das Bewusstsein definiert Materie dadurch, dass es sie von allem anderen unterscheidet, das Materie nicht ist. Durch die sprachliche Definition von Materie (unterscheidend zu Immaterie) wird jedoch klar, dass Immaterie existieren muss. Da Materie schon vor den Menschen existiert hat, muss ein anderes Bewusstsein sie definiert haben, weil … sonst ergibt das ja keinen Sinn!!
4. „Das Immaterielle ist das, was nicht ist – also das Nichts. Aber ein Nichts, das es in sich hat.“ Materie ist vergänglich und hat immer eine Ursache. Das Immaterielle ist unvergänglich und ursachenlos. Als Beweis folgt ein Bibelzitat (Prediger 3.11).
5. Das Materielle ist alles, was eine Ursache hat. „Ein Brief hat eine Ursache, und der Regen hat eine Ursache. Dass Menschen geboren werden hat seine Ursache und dass Menschen sterben hat seine Ursache. Die Erde hat ihre Ursache und das Universum hat seine Ursache.“ Diese Ursache kann nicht materiell sein, denn „Materie für sich allein ist nicht definiert und daher nichts.“
6. Um Materie zu erdenken muss es ein permanentes Bewusstsein geben. Dieses eine, allmächtige und unveränderliche Bewusstsein ist Gott, der daher existieren muss. Beweise: div. Bibelstellen.
7. Die Alltagsverwendung des Verbs „Glauben“ (wie in „Ich glaube ich habe das Licht ausgemacht“) ist identisch mit religiösem Glauben (wie in „inbrünstiger Glaube“). Auch Physik (und implizit auch alles andere) „beruht ausschließlich auf Glauben, denn das System der Physik an sich kann nicht bewiesen werden.“ Man kann also grundsätzlich nur glauben, nichts beweisen. Glaube an Gott ist dasselbe wie der eben beschriebene „Glaube an die Physik“. Glaube an die Physik hat sich „in der Praxis bewährt“. Weil Glaube=Glaube, hat sich daher auch der Glaube an den Christen-Gott bewährt und muss daher stimmen. q.e.d.
Noch jemand dabei? Hurra!
Üblicherweise ist es bei Argumenten für die Existenz von Göttern so, dass sich während eines mehr oder weniger durchdachten Beweisgangs irgendwo ein Fehler einschleicht (oder bewusst versteckt eingebracht wird), weswegen der primäre Schluss („Und darum stimmt meine Religion!!“) inhaltlich falsch ist. Dass jedoch jeder einzelne Schritt komplett falsch ist, das hatte ich noch nicht. Bis jetzt.
Zu 1. und 2.: Wagn definiert sich hier „das Immaterielle“ zurecht, das er von aller Materie streng unterscheidet. Dessen Existenz begründet er ontologisch. Das geht natürlich nicht: Nur weil ich etwas begrifflich machen kann, muss es noch lange nicht wirklich existieren. Außerdem: Das rein Immaterielle, selbst falls es irgendwie existieren sollte, ist für uns materielle Wesen in keiner Weise relevant. Um nämlich relevant zu sein, müsste es sich in irgend einer Form in der Welt manifestieren. Um Einfluss auf „das Materielle“, also auch uns, zu haben, müsste „das Immaterielle“ Lottokugeln schieben, Synapsen in Gehirnen beeinflussen, Jesus auf die Erde schicken, was auch immer. Es muss Quanten umdrehen und Atome schubsen. Dann wäre es jedoch nicht mehr immateriell, sondern zumindest teilweise materiell verankert. Die strenge Unterscheidung materiell/immateriell bei gleichzeitiger Annahme der (wenn auch vielleicht nur indirekten) Beeinflussung von Materie durch Immaterie ist falsch. Wagn kann nicht beides haben.
Zu 4. und 5.: Hier geht Wagn den üblichen Weg aller kosmologischen Beweise: Er behauptet, dass „das Universum“ eine Ursache haben müsse. Er begründet das damit, dass viele Alltagsdinge wie Regen oder Briefe ebenfalls eine Ursache haben. Hier spielen zwei Bedeutungen des Begriffs „Ursache“ eine Rolle, die unser Philosoph munter in einen Topf wirft, wie das andere Apologeten meist mit dem Begriff „Schöpfung“ machen: Ja, wenn ich ein Auto baue oder einen Brief schreibe, dann bin ich in der Tat deren Schöpfer, deren Ursache. Schöpfen bedeutet hier, dass ich bestehende Materie nehme und umforme. Aus Papier und Pigment wird mithilfe eines Stifts ein Brief, aus Metallerzen und Kohlenstoffen wird durch Prozesse wie Schmelzen, Formen, etc, ein Auto. Dieser ex materia Begriff „Ursache“ ist jedoch völlig verschieden von der von Wagn behaupteten Schöpfung ex nihilo, also der behaupteten Schöpfung des Universums aus dem Nichts, dem Nicht-Sein. Es ist aber so: Niemand weiß, ob das Universum eine Ursache haben muss, denn niemand hat jemals so eine creatio ex nihilo beobachtet oder damit experimentiert. Es gibt solide Anzeichen dafür, dass man auch ohne auskommt: Kosmologen vermuten seit etwa zehn Jahren natürliche Raumfluktuationen, aus denen aus dem Nichts spontan und völlig ursachenlos Elementarteilchen entstehen, aus denen sich die Welt aufbaut – aber eine naturwissenschaftliche Erklärung wird Herrn Wagn wohl kaum zufrieden stellen.
Zu 6.: Die eben (falsch) für notwendig erklärte Ursache des Universums muss lt. Herrn Wagn ein zeitloser, immaterieller, ewiger Geist sein. Wir erinnern uns: dessen Existenz hatte er in 1. und 2. eben noch (falsch) herbeidefiniert. Wagn behauptet wie bei kosmologischen Beweisansätzen üblich ohne weitere Belege, dass dieser immaterielle, aber irgendwie doch materiell wirksame Geist sein christlicher Gott sei. Eigentlich ist sein (falscher) Beweis damit fertig.
Wissenschaft ist Glaube – Wissenschaft funktioniert – Daher stimmt Glaube!!
Als Dessert beschert uns Wagn dann aber noch seinen Punkt 7: Beweise (für irgend etwas) seien sowieso komplett unmöglich und auch überflüssig. Wissenschaft sei wie Religion „auch nur Glauben“ – und da Wissenschaft funktioniert, muss Glauben funktionieren, also auch der christliche Glaube, der daher stimmen muss. Dies begründet er sprachlich, indem er sich aus den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs „Glauben“ eine einzelne herauspickt, die er dann für einzig gültig erklärt. Nebenbei erklärt er damit allerdings auch seinen Gottesbeweis aus 1.-6. für ungültig. Warum auch immer, vielleicht hat er beim Schreiben die Übersicht verloren. Wir befinden uns mittlerweile immerhin auf dem Umdefinierniveau von „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“.
Fazit: Wagn argumentiert im Wesentlichen ontologisch, also sprachlich mit der Bedeutung von Begriffen. Dabei wirft er verschiedene Bedeutungen durcheinander und verbiegt sie, wie es gerade passt. Seine Unterteilung materiell/immateriell ist nicht haltbar. Seine Verwendung des Begriffs „Ursache“ ist zumindest falsch, vielleicht auch absichtlich irreführend. Als Beweis für seine These von der Notwendigkeit eines immateriellen Bewusstseins als Ursache der Welt zitiert er lediglich ein altes Buch.
Nichts davon ist irgendwie neu oder originell, hier jedoch überdurchschnittlich verschwurbelt. Wagns Gedankengang „Wissenschaft ist auch nur Glaube – Wissenschaft funktioniert – Daher funktioniert Glaube – Daher funktioniert auch der christliche Glaube – Darum existiert der christliche Gott“ ist allerdings im französisch-champagnerseligen Sinne spektakulär.
In anderen Traktaten hält sich Autor Wagn ebenfalls nur noch mit den Fingernägeln knapp an der schnell rotierenden Realität fest: “Die Evolutionstheorie setzt den philosophischen Materialismus voraus – also die Religion, dass Materie von Geist unabhängig ist. Materie ist jedoch ohne Geist nicht denkbar, denn sie ist ohne Geist nicht definiert und auch nicht definierbar. Was nicht definiert ist, kann aber nicht sein – es ist zugleich alles und nichts.”
Diese kurze Betrachtung („kurz“ hier in der Bedeutung von „sehr lang“) dürfte gezeigt haben, dass man – ob materiell oder immateriell – diesen Autoren nicht weiter ernstzunehmen braucht.
Nach 2.000 Jahren des Suchens, Betrügens und Lügens haben die Theisten endlich einen schlüssigen Beweis für die Existenz ihres Gottes gefunden. Hier ist er:
(P1) Entweder es gibt Gott oder es gibt keine runden Kreise.
(P2) Wenn alle Kreise runde Ecken haben, dann geschieht ein Wunder.
(P3) Es geschieht ein Wunder.
(K) Also: Es gibt Gott.
Ich muss zugeben: ich bin von der tiefgründigen Weisheit und Spiritualität des Beweisgangs begeistert – und ab sofort natürlich auch selbst inbrünstiger Theist. Die zweifelnden Kommentare unter dem zitierten Artikel sind allesamt kleinkrämerische Mäkelei und haben hässliche Ohren.
Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgeben von Gläubigen nicht immer wieder nur dieselben Platitüden als Argument für die Korrektheit ihrer Religion zu hören. Dieser „Gottesbeweis per Teufel“ war daher durchaus überraschend:
Eines Tages lernte ich auf einer Geburtstagsfeier jemanden kennen, der für mein Verständnis außerordentliche mathematische Fähigkeiten besaß, die ich mir mit natürlichen Dingen nicht erklären konnte. Im Laufe des Gesprächs sind wir auf das Thema Glauben gekommen. Nach recht absonderlichen Ansichten, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt hatte, endete er mit dem Satz: „Mein oberster Ziel ist es, so zu werden wie Gott“. Ich erkannte aufgrund seiner Ansichten, dass er seine übernatürlichen Fähigkeiten vom Gegenspieler Gottes haben musste, denn genau mit diesem Versprechen, nämlich so zu sein wie Gott, verführte Satan Eva im Paradies. Wenn es aber diesen Gegenspieler Gottes wirklich gibt, so muss es ja Gott auch geben. Und so fing ich an, die Bibel zu studieren. Ich erkannte, dass es wirklich einen Gott im Himmel gibt, dem man vertrauen kann und der sich durch die Bibel uns Menschen offenbart.
Der Erzähler erkannte also an seinem Gesprächspartner „außerordentliche mathematische Fähigkeiten“, die er sich „mit natürlichen Dingen nicht erklären konnte“. Daher, so kommt er zum Schluss, müssen ganz offensichtlich übernatürliche Mächte am Werk gewesen sein. Das ist ein fast abziehbildhaftes Argument mit dem Unwissen, eines in religiösen Kreisen weit verbreiteten logischen Fehlers: „Mir fällt gerade keine begründete Erklärung für ein Phänomen ein, daher darf ich jetzt behaupten, was ich will. Ich sage: Es muss Magie gewesen sein!“ Üblicherweise folgt nun der Sprung „Und diese magische Macht war der Gott, der daher existieren muss. Voilà!“
Der Erzähler koppelt das Argument mit dem Unwissen mit einem Bandenstoß über die Bibel: „Genau mit diesem Versprechen, nämlich so zu sein wie Gott, verführte Satan Eva im Paradies“. Der übliche Bogen wird also erweitert: „Mir fällt gerade keine begründete Erklärung für ein Phänomen ein, ich darf also annehmen, dass es Magie war! Ausserdem ist die Person gemäß Bibel theologisch verdächtig, muss also vom Teufel beeinflusst sein. Wenn der Teufel existiert, dann aber gemäß Bibel auch dessen Schöpfer, Gott Jahwe. Voilà!“ – Wieso er die Bibel überhaupt als beweiskräftig ansieht, darüber hat er wohl nicht so recht nachgedacht. Wieso nicht den Koran, die vedischen Bücher oder Herr der Ringe? Da gibt es ja auch jeweils Schurken, die die Menschen mit großer Macht verführen wollen. Doch wohl nur, weil er schon als Kind auf die Bibel gedrillt wurde.
Fazit: Die Erzählung ist bei genauerer Betrachtung lediglich eine Argumentation mit dem Unwissen, variiert mit etwas Bibel-Gewinke. Sie kann daher in keiner Weise überzeugen. Kein halbwegs rational denkender Mensch würde auf solche Argumente hin an eine Behauptung wie die Existenz eines allmächtigen Schöpferwesens glauben.
Und zurück zu unserem frisch Bekehrten: Dass ein in Taschenspielertricks bewanderter Gesprächspartner den braven Erzähler in beschwipstem Zustand vielleicht einfach nur ärgern wollte, darauf kommt er nicht.