Gottesbeweis per Teufel

Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgeben von Gläubigen nicht immer wieder nur dieselben Platitüden als Argument für die Korrektheit ihrer Religion zu hören. Dieser „Gottesbeweis per Teufel“ war daher durchaus überraschend:

Eines Tages lernte ich auf einer Geburtstagsfeier jemanden kennen, der für mein Verständnis außerordentliche mathematische Fähigkeiten besaß, die ich mir mit natürlichen Dingen nicht erklären konnte. Im Laufe des Gesprächs sind wir auf das Thema Glauben gekommen. Nach recht absonderlichen Ansichten, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt hatte, endete er mit dem Satz: „Mein oberster Ziel ist es, so zu werden wie Gott“. Ich erkannte aufgrund seiner Ansichten, dass er seine übernatürlichen Fähigkeiten vom Gegenspieler Gottes haben musste, denn genau mit diesem Versprechen, nämlich so zu sein wie Gott, verführte Satan Eva im Paradies. Wenn es aber diesen Gegenspieler Gottes wirklich gibt, so muss es ja Gott auch geben. Und so fing ich an, die Bibel zu studieren. Ich erkannte, dass es wirklich einen Gott im Himmel gibt, dem man vertrauen kann und der sich durch die Bibel uns Menschen offenbart.

Der Erzähler erkannte also an seinem Gesprächspartner „außerordentliche mathematische Fähigkeiten“, die er sich „mit natürlichen Dingen nicht erklären konnte“. Daher, so kommt er zum Schluss, müssen ganz offensichtlich übernatürliche Mächte am Werk gewesen sein. Das ist ein fast abziehbildhaftes Argument mit dem Unwissen, eines in religiösen Kreisen weit verbreiteten logischen Fehlers: „Mir fällt gerade keine begründete Erklärung für ein Phänomen ein, daher darf ich jetzt behaupten, was ich will. Ich sage: Es muss Magie gewesen sein!“ Üblicherweise folgt nun der Sprung „Und diese magische Macht war der Gott, der daher existieren muss. Voilà!“

Der Erzähler koppelt das Argument mit dem Unwissen mit einem Bandenstoß über die Bibel: „Genau mit diesem Versprechen, nämlich so zu sein wie Gott, verführte Satan Eva im Paradies“. Der übliche Bogen wird also erweitert: „Mir fällt gerade keine begründete Erklärung für ein Phänomen ein, ich darf also annehmen, dass es Magie war! Ausserdem ist die Person gemäß Bibel theologisch verdächtig, muss also vom Teufel beeinflusst sein. Wenn der Teufel existiert, dann aber gemäß Bibel auch dessen Schöpfer, Gott Jahwe. Voilà!“ – Wieso er die Bibel überhaupt als beweiskräftig ansieht, darüber hat er wohl nicht so recht nachgedacht. Wieso nicht den Koran, die vedischen Bücher oder Herr der Ringe? Da gibt es ja auch jeweils Schurken, die die Menschen mit großer Macht verführen wollen. Doch wohl nur, weil er schon als Kind auf die Bibel gedrillt wurde.

Fazit: Die Erzählung ist bei genauerer Betrachtung lediglich eine Argumentation mit dem Unwissen, variiert mit etwas Bibel-Gewinke. Sie kann daher in keiner Weise überzeugen. Kein halbwegs rational denkender Mensch würde auf solche Argumente hin an eine Behauptung wie die Existenz eines allmächtigen Schöpferwesens glauben.

Und zurück zu unserem frisch Bekehrten: Dass ein in Taschenspielertricks bewanderter Gesprächspartner den braven Erzähler in beschwipstem Zustand vielleicht einfach nur ärgern wollte, darauf kommt er nicht.

“Ich verstehe nichts von Biochemie. Daher muss Gott das Leben geschaffen haben!” – Das Argumentum ad Ignorantiam

Wenn sie auf hartnäckigen Widerstand stoßen, ziehen Religionisten oft ehrlich verwirrt ein Argumentum ad Ignorantiam, also ein Argument mit dem Unwissen oder der Ignoranz.

Wie man beim Lesen des Namens schon ahnt, ist dieser logische Fehlschluss ausgesprochen verbreitet. Das geht dann etwa so: “Die Biochemiker haben bislang keine Erklärung dafür gefunden, wie aus unbelebter Materie belebte Materie wird. Ich kann mir auch keine vorstellen. Es geht also nicht. Daher muss dabei ein höheres Wesen am Werke gewesen sein. Voilà!”

„Ich kann mir keine Erklärung für X vorstellen. X muss also falsch sein!“

Hier wird also eine These (“Sich selbst reproduzierende Einweißmoleküle sind durch Verbindung einfacherer Eiweißmolekülen entstanden”) für falsch erklärt, weil sie bislang nicht experimentell bestätigt werden konnte. Es ist natürlich unmittelbar einsichtig: Dass man keine schlüssige Erklärung für ein Phänomen kennt, und dass einem auch gerade auch keine einfällt, bedeutet nicht, dass es keine gibt. Insbesondere bedeutet es auch nicht, dass man eine willkürliche, übernatürliche Ursache aus dem Hut zaubern darf (“Diese Moleküle entstanden aus dem Nieser des Heiligen Yetis!”), die daher dann zutreffen muss.

Ein anderes beliebtes Einsatzfeld des Argumentum ad Ignorantiam ist die Kosmologie: “Wir Menschen haben bislang keine gute Theorie, warum es den Urknall gab. Daher muss ein Gott das Universum geschaffen haben.”

Der schrumpfende Gott der Lücken

Diese (falsche) Argumentation läuft auf den “Gott der Lücken” hinaus. Alle Phänomene, für die Wissenschaftler noch keine Erklärung gefunden haben, weist man bei dieser Gottesvorstellung Jahwe zu. Bis zur Renaissance war Jahwe so ein vielbeschäftigter Mann, allerdings warnen taktisch kluge Theologen schon seit dem 19. Jahrhunderts vor dieser Gottesvorstellung: Die Lücken im Weltwissen, und damit die möglichen Verstecke für Jahwe, werden immer kleiner.