198 Skandal um Jesus — Das geheime Markus-Evangelium

Seit fast 70 Jahren hält ein antiker Text Theologen in Atem: Im „Geheimen Markus-Evangelium“, das der Forscher Morton Smith 1958 in einem Kloster nahe Bethlehem findet, wird von geheimnisvollen Riten geraunt, die Jesus nachts mit einzelnen, offenbar nur leicht bekleideten, jungen Männern durchführt. Die Interpretation der Texte führen zum wüsten Streit: Hat Jesus heimlich gnostische Rituale durchgeführt? Geht es um Sex? Oder ist die ganze Sache vielleicht doch eine bösartige Fälschung?

Oliver führt uns durch das „Geheime Markus-Evangelium“, seinen Inhalt, den politischen Kontext, die Geschichte seiner Entdeckung und die Schwierigkeiten bei der Interpretation. Für Oliver ist der „Geheime Markus“ ein schillerndes Beispiel für die Schwierigkeiten, die man bei der Beschäftigung mit den Ursprüngen des Christentums, insbesondere auch mit dem (vielleicht, vielleicht auch nicht) historisch existierenden Jesus, umschiffen muss.

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45 Gedanken zu „198 Skandal um Jesus — Das geheime Markus-Evangelium

  1. Ich gehe zwar davon aus, dass es eine historische Person Anfang des 1.Jh. gab, auf der der Mythos des Jesus Christus basiert. Die Beweislage dafür ist aber äußerst dürftig und ziemlich unwürdig für DEN Mensch gewordenen Gott des Universums, vor allem wenn das Seelenheil der Menschheit vom Glauben daran abhängt.

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    • Faktisch (im Sinne verifizierbarer Belege) ist über einen Jesus nichts bekannt, außer, dass der Name Jeshua in der Zeit weit verbreitet war. Bekannt und belegbar ist hingegen, dass die Biografie dieses „Jesus“ kompiliert wurde aus viel älteren Texten unterschiedlicher Kulturen und dem Faktenwissen nach 70 u. Z.. Der religiöse Hintergrund („Gottes Sohn“) ist sowieso unsinnig. Und die Wirkung als Heilsbringer ebenfalls. Falls es – als Beispiel – eine echte Maria samt ihrer Erscheinungen gäbe, wäre es doch sinnvoller, über der Kaaba in Mekka zur Zeit der großen Hadsch zu erscheinen als sowieso tiefgläubigen, christlichen Einzelgängern…

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      • Ich gehe davon aus, dass es eine historische Person Anfang des 1.Jh. gab, auf der der Mythos des Jesus Christus basiert, weil die Paulusbriefe das hergeben:

        7 von der Paulusbriefe sind wahrscheinlich authentisch und in den 50ern des 1.Jh geschrieben worden. Darin gibt Paulus ein paar Hinweise: Er behauptet für kurze Zeit in Jerusalem gewesen zu sein und dort Petrus und Jakobus, den „Bruder des Herrn“ getroffen zu haben. Mit Petrus ist er theologisch im Zwist was die Frage der Heiden angeht. Paulus nennt Jesus „Christus den Gekreuzigten“.

        Das klingt für mich so, als ob da eine historische Person Bruder des Jakobus war, Petrus dieser zu Lebzeiten nachgefolgt ist und eine Kreuzigung stattgefunden hat.

        Klar, dass sind Texte eines religiösen Eiferers. Und klar, die Texte könnten nachträglich bearbeitet oder sogar später komplett erfunden worden sein.

        Aber ich weiß nicht, warum Paulus oder ein späterer Fälscher sich den Zwist mit Petrus oder auch die „Torheit vom Kreuz“ ausgedacht haben sollte. Außerdem hat man Paulus abgenommen, dass er mit Jakobus und Petrus Kontakt hatte. Der wahrscheinlichste Grund dafür ist, denke ich, dass diese Personen existiert haben und einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten.

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        • Der letzte Satz ist der Schlüssel: „Der wahrscheinlichste Grund dafür ist, denke ich, dass diese Personen existiert haben und einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten.“

          Was ist ein „gewisser Bekanntheitsgrad“? Kein Historiker, der zu dieser Zeit in jener Gegend wirkte, berichtet von einem Jesus, der einen Einfluss auf was auch immer gehabt haben soll.

          Der angebliche Bericht von Josephus Flavius ist eine spätere christliche Einfügung in den Originaltext, um quasi einen Beleg für Jesus zu „haben“, da man sich offenbar bereits damals bewusst war, dass es keinerlei authentische Belege für den Jesus der neutestamentlichen Form gibt. Sonst wäre die Fälschung (auch die Fälschung weiterer „Belege“) unnötig gewesen.

          Die Existenz eines Paulus ist auch höchst umstritten, mindestens kann man drei Pauli unterscheiden, einige der Briefe werden in der Forschung als eindeutige Fälschung identifiziert.

          Diese Fälschungen belegen für mich eindeutig, dass man sich in der Frühphase des Christentums (also nach 70 u. Z.) der mageren Quellenlage bewusst war und es keinen einzigen noch lebenden Augenzeugen gab. Es gab nur noch „Stille Post“ und die Hoffnung, dass es einen „Erlöser“ gegeben habe – WEIL er dringend gebraucht wurde.

          Allein die Eckdaten der Biographie sind nach klassischem Verständnis auf das damals dramatischste Ereignis der Juden (von denen ein Teil Judenchristen wurde) hin entwickelt worden: Der Brand des 2. Jerusalemer Tempels durch Titus‘ Truppen im Jahr 70 u. Z.. Er stellte die Zäsur dar und war Anlass für die Zerstreuung der Juden in die Welt.

          Religiös gesehen war dies das Ende der Zeit der Bewährung, die im Judentum mit der Zahl 40 zu tun hat. D.h. der Erlöser aus dieser Misere muss sich 40 Jahre zuvor für die Menschen geopfert haben, also 30 u. Z.. Nach antiker Vorstellung war ein Mann mit 30 Lebensjahren in den „besten Jahren“. Also müsste der Erlöser um das Jahr 1 geboren worden sein. Allein dieses Geburtsjahr ist aufgrund der Überlieferung im NT nicht eindeutig bestimmbar, da verschiedene historische Begebenheiten nicht zusammenpassen, bzw. frei erfunden wurden.

          Alle diese bekannten Fakten führen zum Schluss, dass zwischen 70 u. Z. und ca. 125 u. Z. (Johannes Evangelium) die Texte als Hoffnungsschimmer für die Vertriebenen und Außenseiter im Exil verfasst wurden. Auch der neu hinzugetretene Missionierungsgedanke basiert darauf, denn in der Diaspora waren die Judenchristen oft kleine, machtlose Grüppchen, die sich dringend vergrößern mussten. Daher hat man sich im Urchristentum um die Aussätzigen, die Alten und Ausgegrenzten gekümmert, hat ihnen Seelentrost und ein Versprechen auf eine goldene Zukunft im Himmel versprochen.

          Das alles wäre ja kein Problem, wäre diese Ideologie nicht römische Staatsreligion und danach (wie „Jesus“ es „fordert“) mit dem Schwert verbreitet worden. Das führte zum Niedergang der Hochkultur und unglaubliche Mengen antiken Wissens wurden vernichtet…

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          • Mit „diesen Personen“ bezog ich mich auf Petrus und Jakobus. Auf den Bekanntheitsgrad der beiden schließe ich nur durch die Paulusbriefe.

            Die Existenz eines Paulus ist in der Forschung nicht „höchst umstritten“. Warum sonst werden immerhin sieben der Paulusbriefe mehrheitlich und aus guten Gründen Paulus zugesprochen?

            Ich sehe viele richtige Beobachtungen in deinen Ausführungen, aber außer dem Inzweifelziehen eines historischen Paulus keine Gegenargumente gegen meine Herleitung eines historischen Jesus, eine Person, um die später die Legenden gesponnen wurden.

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            • Ich bezog mich primär auf den „Bekanntheitsgrad“. Kein einziger der Kronzeugen für Jesus ist historisch nachweisbar.

              Ich will dabei nicht ausschließen, dass es reale Personen gab, die den Kern der Spekulationen lieferten. Aber kein einziges Schriftstück über einen Jesus ist vor 70 u. Z. entstanden. Und keinem einzigen Schriftstück konnte zweifelsfrei (!) ein konkreter Autor zugewiesen werden. Das sind alles Pseudepigraphe, die man im Volksmund bekannten Personen (reale, aber auch mythische) zugeschrieben hat. Das war in der Antike eine übliche Methode, um einen Text aufzuwerten…

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    • Sollte tatsächlich in der besagten Zeit ein Mann, in einer Grenzregion des Römischen Reichs, die Massen um sich versammelt und begeistert haben- und gar Wunder vollbrachte, sogar Tote wiedererweckt haben sollte, sind die historischen Berichte darüber doch sehr dürftig.

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  2. toll, dass es wieder eine neue Episode gibt, war schon ganz ungeduldig.

    Meine Theorie: es ist Jesus-Fanfiction, die sich Mönche untereinander weiter gegeben haben.

    Macht weiter so, ist immer wieder eine Freude!

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  3. Nur um nochmal klarzustellen:

    Das „Geheime Markus-Evangelium“ unterscheidet sich vom eigentlichen Markus-Evangelium lediglich durch zwei kurze Einschübe. Mehr ist nicht bekannt.

    Diese Einschübe haben es allerdings in sich – vorausgesetzt, dass das Ganze nicht ein Fälschung ist, wofür einiges spricht.

    Interessant ist an diesen Einschüben, dass die Phantasie des Lesers durchaus in eine Richtung gelenkt wird, die ansonsten im NT tabu ist.

    Auch wenn es eine „bösartige“ Fälschung sein sollte, so beweist diese Andeutung doch auch, auf welch unsicherem Boden die scheinheilige, biblisch-christliche Sexualmoral steht.

    Unter vorgehaltener Hand ist doch in liberalen christlichen Kreisen schon längst vom homo- oder bisexuellen Bibel-Jesus die Rede.

    Es geht auch nicht mehr darum, ob es den Bibel-Jesus jemals gegeben hat, entscheidend ist doch, dass selbst das perfekte Bild des Jesus aus der „heiligen Schrift“ – sozusagen innerbiblisch – erschüttert wird.

    Im Übrigen kann es einen charismatischen Wanderprediger namens Jesus Christus oder Christos durchaus gegeben haben, der auch andeutungsweise in ausserbiblischen Quellen erwähnt wird (Sueton, Tacitus, Flavius Josephus, etc.).

    Nur: Alles, was den biblischen Jesus ausmacht und ihn für Christen zum anbetungswürdigen Gottessohn erhebt (Geburt, Wunder, Auferstehung, etc.), davon ist nichts, aber auch gar nichts überliefert – ausser in den propagandistischen Evangelien.

    Die Geschichtsschreiber und Kommentatoren der damaligen Zeit (Livius, Tacitus, Seneca, Plutarch, etc.) haben detailliert und wortreich über alles mögliche Wichtige und Unwichtige berichtet, aber nirgendwo ist von den weltbewegenden Geschehnissen, wie sie die Bibel darstellt, ein Sterbenswörtchen zu lesen. Wie kann man denn eine tatsächlich eingetretene wunderbare Brotvermehrung für eine Ansammlung von 5000 Menschen ausserbiblisch unerwähnt lassen? Oder den Massenmord des Herodes an den jüdischen Kleinkindern?

    Allein das beweist schon den Märchenbuch-Charakter der Bibel.

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    • Genau richtig!

      Bis auf die Einschränkung, dass es sich bei den „Belegen“ bei Sueton, Tacitus, Flavius Josephus oder Plinius des Jüngeren ebenfalls nachgewiesenermaßen um Fälschungen handelt. Ich verweise hier auf das informative Buch „Falsche Zeugen“ des promovierten Theologen Hermann Detering.

      Gerade diese Fälschungen belegen für mich, dass die frühen Kirchenlehrer sehr wohl wussten, dass ihr „Jesus“ historisch nicht nachweisbar ist. Sie kannten sicher auch (weil man damals in Gelehrtenkreisen über diese Fakten informiert war) die echten Quellen der Jesus-Biographie. Sie wussten auch (noch), dass die ach so christliche Nächstenliebe aus dem Judentum „geklaut“ wurde, die meinte, dass man bei Streitigkeiten mit dem Nachbarn Liebe statt Zorn wirken lassen sollte.

      Das ist aber auch nicht verwunderlich, weil das Christentum direkt aus dem Judentum hervorging – „bereichert“ durch das Trauma des Tempelbrandes und die anschließende Vertreibung aus dem gelobten Land. Nichts war mehr wie vorher, es musste also ein deutliches Zeichen „Gottes“ her, ob die Hebräer noch sein auserwähltes Volk seien.

      Ein Teil fand eben in dem (meiner Einschätzung nach bewusst) konstruierten Wanderprediger Jesus den Trost, der gerade in dieser Zeit so dringend gebraucht wurde. Er war der Strohhalm, an den man sich klammerte in der Verzweiflung.

      Daher die eklige Leiche am römischen Martergerät, die Selbstkasteiungen, die Todessehnsucht und der Hass auf die Juden, die sich ihre wesentlich fröhlichere und lebensbejahendere Religion auch in der Diaspora bewahrt hatten. Sie wurden zu Christusmördern erklärt, die vernichtet werden durften.

      In der Tat ist es unerheblich, ob und inwieweit ein realer Wanderprediger hier biographisch eingeflossen ist. Die Juden in Kanaan haben einen solchen nicht wahrgenommen. Erheblich ist das sozio-politische Umfeld der Zeit nach 70 u. Z.. Die Nöte und Ängste, die Roms Imperialismus auslöste. Dass das Christentum gerade dort von einer Sekte zur Religion mutieren konnte, könnte man als späte Rache der Juden an den Römern auffassen. Auf jeden Fall hat es sich verheerend auf die römische Kultur und das Mittelalter ausgewirkt, dass finster und unwissend wurde, unmenschlich und morbide.

      Erst die Renaissance, die sich bewusst auf die Antike bezog, konnte dank der Übersetzungsarbeit der Araber große Teile des alten Wissens einer Wiedergeburt zuführen. Und heute erscheint aufgeklärten Menschen diese Rückkehr des Wissens bedeutsamer als die Rückkehr eines vermeintlichen oder tatsächlichen Wanderpredigers…

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      • Bei Flavius Josephus ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass bestimmte Bemerkungen nachträglich eingefügt wurden, und zwar genau solche, die auf die übernatürliche Dimension des Bibel-Jesus verweisen.

        Ansonsten ist mir bei Sueton, Tacitus oder Plinius, die ja alle mit dem christlich-jüdischen Glaubensgedöns nichts zu tun hatten, nicht bekannt, dass bei diesen von irgendeiner interessierten Seite manipuliert worden wäre.

        Sei es aber, wie es sei.

        Nur zwei Anmerkungen noch dazu:

        1. Spartakus: Über diesen thrakischen Sklaven in der späten republikanischen römischen Republik und dessen Aufstand gibt es verlässliche Quellen von namhafter Historikern. Da gibt es keine Zweifel an seiner Existenz und seinen Taten. Auch er wurde getötet, allerdings in einem Gefecht. Auch er wurde in späteren Zeiten als Held und Vorbild gefeiert und ideologisch instrumentalisiert. Der Bibel-Jesus war auf seine Art auch ein Umstürzler, ein Aufwiegler, ein Sektenführer, ein selbsternannter Gott und König. Auch er konnte Tausende mobilisieren, zwar nicht zum gewaltsamen Umsturz, aber immerhin soweit, dass man ihn für todeswürdig befand. Alles das ist aber den zeitgenössischen Schriftstellern und Historikern nur ein paar dürre Zeilen wert gewesen, wenn überhaupt – im Gegensatz zu Spartakus.
        2. Che Guevara: Ein Held unserer Zeit, eine Ikone, ein Umstürzler, ein gescheiterter und ermordeter Hoffnungsträger, aber einflussreich nachwirkend. Man könnte sich vorstellen, wenn er in der abergläubischen Antike gelebt hätte, wäre um ihn vielleicht auch ein Kult oder eine Legende entstanden. Wer weiss, vielleicht hätte man ihm auch Altäre gebaut und ihn als Gott verehrt. Heutzutage allerdings schwer vorstellbar. Klar, es gibt auch neuzeitliche Sekten mit ihren Gründern, Führern und glaubensbesoffenen Anhängern, aber diese sind nur Trittbrettfahrer und Profiteure eines schon vorhandenen Religionskonstrukts, auf das sie nur aufspringen mussten.

        Langer Rede kurzer Sinn:

        Der Bibel-Jesus ist zu 99% eine Chimäre.

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        • Nur nebenbei, die fragliche Stelle bei Sueton in der Biographie des Claudius ist „Die Juden, welche von einem gewissen Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten, vertrieb er aus Rom.“

          Sueton hat hier, wie die Christen behaupten, ganz eindeutig Jesus und seine Anhänger beschrieben — allerdings ein paar kleinere Fehler gemacht: Er hat 1) Jesus als Chrestos benannt, was ein damals üblicher Sklavenname („Der Nützliche“) war; 2) er hat Jesus in die falsche Zeit versetzt (Claudius regierte ab 41); 3) er hat Jesus in die falsche Stadt versetzt (Rom statt Jerusalem); und er hat 4) die Anhänger Jesu, die Christen, mit Juden verwechselt.

          Diese vier spezifischen Fehler behaupten die Christen, die Sueton als Beweis für die Existenz von Jesus sehen. Wäre es nicht einfacher anzunehmen, dass wirklich ein gewisser Sklave Chrestos in Rom zur Zeit des Claudius die jüdische Gemeinde aufgewiegelt hat?

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          • Nach meiner Kenntnis hat das Sueton schon richtig beschrieben:

            1. Chrestos ist die Übersetzung aus dem Hebräischen ins Griechische und bedeutet „Messias oder „der Gesalbte“.
            2. Es geht bei Sueton um die Vertreibung der Juden und der Christengemeinde aus Rom, die sich ca. 40 unserer Zeitrechnung gebildet hatte. Damals regierte Kaiser Claudius, der 49 das sog. Claudius-Edikt zur Vertreibung der Juden und Christen aus Rom und anderen Städten erliess.
            3. Daher ist Rom schon der korrekte Ort.
            4. Die Römer haben zu dieser Zeit die Christen für eine jüdische Sekte gehalten, was insofern nachvollziehbar ist, als sich die eigentliche Spaltung von Juden und Christen erst um ca. 100 endgültig vollzogen hat.

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            • Es gibt viele Interpretationen der Sueton-Stelle. Am wahrscheinlichsten sind wohl zwei:

              1. Es handelte sich bei Chrestos um Chrestos (die weibliche Form Chreste ist als jüdischer Frauenname nachgewiesen) oder

              2. Es ist ein Schreibfehler und Sueton (der selbst deutlich später lebte) meinte einen um 40 bis 50 u. Z. in Rom aktiven Christus/Christos, also einen der vielen Messiasprätendenten. Dafür käme der Samaritaner Simon Magus infrage, der sich für den legitimen Christus/Messias hielt.

              In der Tat erscheint die Variante, dass der schon mindestens 10 – 15 Jahre tote Jesus hinter diesem „Chrestos“ stecke, am unwahrscheinlichsten.

              Man muss bedenken, dass die Juden bis heute auf den („echten“) Messias warten und viele sich daher selbst dazu ausgerufen haben. Selbst wenn Jesus gelebt haben soll, wäre er nur einer unter vielen, der außerdem von den Juden nicht zur Kenntnis genommen wurde. Andere (z. B. Simon Bar Kochba) wurden hingegen zu wahren Volkshelden.

              Denn eines ist Historikern auch klar: Eine christliche Gemeinde in Rom um 41 bis 54 u. Z. ist unbekannt, aber es gab durchaus diverse Gruppen zugewanderter Juden, die selbstverständlich einen Messias erwarteten und ihn z. T. auch in Simon Magus sahen.

              So gesehen ist die fragliche Stelle bei Sueton keine spätere, christliche Fälschung, aber eine bewusste, christliche Fehlinterpretation. Dafür kann ich sogar ein gewisses Verständnis aufbringen, da man sich als „Christ“ nur einen Messias vorstellen konnte: Jesus! Jeder Hinweis auf einen Christus MUSSTE also auf Jesus bezogen werden…

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  4. Aus der englischen Wikipedia: „Most scholars who have studied the letter and written about it assume the letter was written by Clement. Most patristic scholars think the language is typical of Clement and that in manner and matter the letter seems to have been written by him.“

    Wenn das so ist, dass die Mehrheit der Fachwelt den Brief für echt hält, dann käme als Fälscher wahrscheinlich nur Smith selbst in Frage. Irgendwelche mittelalterlichen Mönche, die den Brief auf die schnelle gefälscht haben, um ein Argument in einer theologischen Debatte zu haben, hätten wahrscheinlich inhaltliche oder stilistische Fehler gemacht, die der modernen Forschung auffallen würden. Smith hätte eher gewusst, wie man so etwas fälschen könnte, dass es auch die Fachwelt täuscht.

    Falls der Brief echt ist und es diese geheime Fassung gab, könnte das offizielle Markusevangelium eine Anspielung darauf enthalten: „Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen draußen aber widerfährt es alles in Gleichnissen, auf dass sie mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.“ (Markus 4, 11-12)

    Das „Geheimnis des Reiches Gottes“ war dann womöglich eine Geheimlehre, die nur in der geheimen Fassung enthalten war, die nur Auserwählte lesen durften?

    (Das ist natürlich zugegebenermaßen auch nur Spekulation. Ich behaupte bei weitem nicht, die Wahrheit darüber zu kennen.)

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    • Oha, danke für die Recherche. Das „Geheimnis des Reiches Gottes“ bezieht sich vermutlich auf gnostische Inhalte, auch wenn die paulinische Kirche das nicht gern hört. Die christlichen Gnostiker waren damals der (Haupt?)Zweig des Christentums und gingen davon aus, dass nicht Glaube an die Erlösung, sondern das Erlangen geheimen Wissens den Tod überwinden kann. Da das Wissen aber als gefährlich angesehen wurde, musste es Eingeweihten vorbehalten bleiben. Auch hier: Spekulationsvorbehalt.

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  5. @MGEN

    Es gibt im Projekt Gutenberg eine Übersetzung der Kaiserbiographien des Sueton mit einer ausführlichen Einleitung. Dort wird zu der fraglichen Stelle im Kapitel über Kaiser Claudius Stellung genommen und diese in dem Sinne interpretiert, wie ich geschrieben hatte.

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  6. Es ist absolut plausibel, dass Sueton mit „Christos“ den Bibel-Jesus im Sinn hatte:

    1. Es gab sehr früh eine Christengemeinde in Rom (um 40 u.Z). Und der Gründer dieser neuen religiösen Richtung war nunmal Jesus Christus. Diese neue Abspaltung vom Judentum wurde von den Römern zwar damals noch als eine jüdische Sekte angesehen, aber sie machte durch Unruhen und Auseinandersetzungen mit den orthodoxen Juden in Rom von sich reden. Daher ja auch das Ausweisungsedikt von Kaiser Claudius, welches sowohl die Juden als auch die Christen betraf. Es gab also schon eine Christengemeinde, die sich deutlich von allen anderen zeitgenössischen und möglichen Epigonen und Trittbrettfahrern unterschied. Denn sonst hätte sie Sueton nicht hervorgehoben.
    2. In weiteren ausserbiblischen Quellen ist ebenfalls von einem „Christos“ die Rede (z. B. bei Tacitus), bei dem es sich immer um den Gründer dieser neuen Sekte handelt, egal wie zeitnah der Protokollant dem Geschehen war und egal, wo ein Ereignis stattfand. Das ist kein Zufall.
    3. Wenn Historiker eine neue Weltanschauung, Sekte oder Religion beschreiben, um sie näher zu identifizieren und zu definieren, wird gewöhnlich deren Gründer benannt, nicht irgendein Rädelsführer oder selbsternannter Stellvertreter. So auch bei Sueton.

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    • Ob es es eine Christengemeinde 40 u. Z. in Rom gab und was darunter zu verstehen ist (!) ist höchst umstritten. Das NT schweigt sich dazu aus, da die ersten Texte eindeutig nach 70 u. Z. notiert wurden, die mehrfach redigiert und den sich ändernden sakralen Strukturen angepasst wurden.

      Wie schon von mir ausgeführt: das Judentum schlechthin ist eine Christus-Religion, wenn man so will. D. h. eine Religion, die den Messias erwartet (auch die Christen erwarten ihn, allerdings, – im Gegensatz zu Juden – auf dessen Rückkehr). D. h. bis 70 u. Z. war die Messiaserwartung quasi auf Normalniveau – es war (und ist) halt ein Bestandteil dieser Religion. Einen Jesus hatte man bis 70 u. Z. nicht als Messias anerkannt oder gar verehrt.

      Wäre ein wundertätiger Wanderprediger mit charismatischer Wirkung in Palästina unterwegs gewesen und wäre dieser sogar von den Erzfeinden, den Römern, hingerichtet worden, dann hätte das jüdische Volk (!) einen neuen Helden, den es auf jeden Fall zu verehren gelte.

      Doch nichts davon trat ein. Nach 70 u. Z. hat sich das Bild radikal verändert: Der Tempel existierte nicht mehr und das machte theologisch einen Gottesdienst quasi unmöglich. JETZT musste etwas geschehen, um kultur-religiös zu überleben. Ab dieser Zeit begann man, Texte zu notieren, die „nachwiesen“, dass der Messias gekommen war und sich für die Juden geopfert hatte.

      Die Erwähnung des Titels „Christos“ (griechische Schreibweise, was die Oberschicht beherrschte) war also zu keiner Zeit etwas Außergewöhnliches. Es gab etliche, die sich dieses Titels bedienten. Im Fall von „Chrestos“ liegt der Fall jedoch anders. Das Ganze ist detailliert bei Hermann Deterings „Falsche Zeugen“ (Alibri, 2011) nachzulesen.

      Jesus war übrigens nicht Gründer des Christentums (zur Argumentation C), sondern – falls er gelebt haben soll – ein Reformator des Judentums, allerdings auch kurioserweise unter Bezugnahme des Brands des 2. Tempels, der erst 40 Jahre nach seinem angeblichen Tod stattfand. Denn – wie ich ausführte – entstand erst durch diesen Brand die dramatischst mögliche Zäsur für das Judentum.

      Aus römischer Sicht wäre dieser Jesus (interessant hier auch die Koexistenz eines 2. Jesus, nämlich Jesus bar Abbas (übersetzt: „Jesus, der Sohn des Vaters“), der mit dem anderen Jesus im gleichen Gefängnis gesessen haben soll und der auf Wunsch des jüdischen Volkes freigelassen wurde [was wiederum ein historischer Unsinn ist, weil es diese Wahlfreiheit nie gab]) nichts als ein Rädelsführer mit mäßigem Erfolg gewesen, der deswegen (!) hingerichtet wurde.

      Jesus (also sein möglicher historischer Kern) wurde erst als Messias „brauchbar“, als man seine Biographie (die sowieso niemand kannte) im Sinne eines „Sohns des Vaters“ (Gottessohns) umgeschrieben hatte. Samt göttlicher Vergewaltigung Mariens, jungfräulicher Geburt und abschließender Himmelfahrt. Allein diese ganzen eindeutig erfundenen (bzw. aus älteren Quellen kompilierten) Sagenelemente beweisen, dass Jesu reales Leben (so er gelebt hatte) theologisch völlig bedeutungslos war. Simon bar Kochba hatte wenigstens einen anständigen Aufstand 135 u. Z. hinbekommen.

      Von alledem hätte Sueton nach 70 u. Z. erfahren können. Aber warum sollte er dies in die jüdischen Reformsekten in Rom projizieren? Und das auch noch mit einem jüdischen Vornahmen, der ähnlich wie „Christos“ klingt?

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        • Sueton hat ca. zw. 70 und 122 u. Z. gelebt. D. h. die Ereignisse in Rom (Christengemeinde in Rom) lagen ca. 60 Jahre zurück, als er im Wesentlichen zu wirken begann. Da es keine (bekannten) Quellen aus der Zeit um 40 u. Z. gab, die er hätte studieren können (obwohl das nicht auszuschließen ist), ist doch die Wahrscheinlichkeit groß, dass er auf andere, bekannte Quellen (die um Christos Simon Magus) oder einen jüdischen Rädelsführer namens Chrestos zurückgriff.

          Kron-, Augen- oder Zeitzeuge war er aufgrund seiner Lebensdaten nicht. Doch finde ich die ganze Diskussion auch recht müßig, denn was bewiese dies, falls er – entgegen jeder Wahrscheinlichkeit – tatsächlich von einer Christengemeinde im Rom geschrieben haben sollte? Oder wenn es – ebenfalls entgegen jeder Wahrscheinlichkeit – diese Gemeinde dort um 40 u. Z. gegeben haben sollte. Wie gesagt: Der Hauptstimulus für die Abspaltung einer Sekte vom jüdischen Glauben fand erst 70 u. Z. statt.

          Nur, falls Jesus wirklich die Römer ins Meer getrieben und Palästina aus deren Joch befreit hätte, gäbe es einen ernstzunehmenden Anlass, an einen Jesus als Messias zu glauben.

          Da dies nie geschah, glaubten auch nicht „die Juden“ an ihn (bis heute nicht), sondern die Figur wurde kompiliert aus mehreren Versatzstücken, an die eben die verzweifelten, vertriebenen Juden in der Diaspora zu glauben begannen. NACH 70 u. Z.! Erst danach – darin ist sich die Forschung weitgehend einig – begann man mit dem Verfassen eines „NT“, um sich vom AT zu distanzieren. Schließlich brauchte man nun einen Messias, der sich zwar geopfert hatte, aber versprach, wiederzukehren (d. h., der zur Zeit der Niederschrift eben NICHT vorzeigbar/überprüfbar war = tot und noch nicht wieder lebendig).

          Alle diese Märchen und falschen Hoffnungen werden nicht wahrer, ob Sueton nun den Jesus meinte oder einen anderen Messiasprätendenten oder einen simplen Rädelsführer namens Chrestos (wie Detering überzeugend nachweist).

          Fazit: Für den Glauben an einen Gottessohn namens Jesus bedeutet es nichts, ob irgendein Schriftsteller damals von ihm berichtete. Diese Figur ist eine reine Kopfgeburt. In welchem Jahr das geschah, ist zweitrangig…

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        • Ja, eine der wenigen frühen ausserbiblischen Quellen dazu.

          Das Edikt des Claudius von 49 u. Z. hat seine Ursache in Unruhen zwischen Juden und Judenchristen in Rom; also kann man annehmen, dass es schon während der ersten Hälfte der vierziger Jahre des 1. Jahrhunderts Judenchristen in Rom gab.

          Das stimmt sogar mit den Berichten des Paulus überein, der um 50 u. Z. mit aus Rom vertriebenen Judenchristen in Korinth zusammengetroffen sein will.

          Diese Streitigkeiten wurden von den Römern als solche unter Juden betrachtet. Da wurden noch keine feinen Unterschiede gemacht, evtl. auch nicht erkannt.

          Sueton ist allerdings als sehr akribischer, auf Fakten bedachter und redlicher Historienschreiber bekannt, so dass er da schon genauer hingeschaut haben wird und differenzieren konnte.

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          • Es geht immer darum, was oder wen man unter „Christus“ versteht. Es gab immer Juden (die Mehrheit), die noch auf den Messias ( = Christos/Christus) warten und andere, die ihn unter sich wähnten. Das sind die unzähligen Messiasprätendenten, die teilweise Volksheld-Status erreichten.

            Für Christen kann aber nur die Frage entscheiden sein, ob damit ihr Jesus gemeint sein könnte. Und wenn, dann war bis zur Zeit zw. 70 und 125 n. Chr. unmöglich, sich auf ein NT zu berufen, weil das schlicht noch nicht existierte. Daneben wurden aber fleißig immer weitere Evangelien geschrieben, die vielleicht doch noch absurder erschienen als die in sich widersprüchlichen vier und deshalb nicht kanonisiert wurden.

            Und vor 70 u. Z. ist nichts über einen Jesus Christos bekannt. Also konnte es keine Jesus Christos-Gemeinden gegeben haben, aber sehr wohl Judenchristen, die halt an einen der aktuellen Messiasse glaubten…

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    1. Sueton ist als antiker Klatschreporter bekannt, der alle möglichen Anekdoten ungeprüft übernommen hat. https://de.wikipedia.org/wiki/Sueton#Moderne_Bewertungen
    2. Sueton hat anderer Stelle sehr wohl das Christentum als neue Religion aufgefasst, nicht als Juden. http://www.m.thelatinlibrary.com/suetonius/suet.nero.html#16
    3. Die Apostelgeschichte sagt auch, dass Claudius Juden aus Rom vertrieben hat. Nicht Christen. https://www.bibleserver.com/LUT/Apostelgeschichte18

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  7. Hallo, Leute,

    ich denke, wir sind uns einig darin, dass es den Jesus der kanonischen Schriften nie gegeben hat.

    Das widerspricht ja nicht der Annahme, dass es einen jüdischen Endzeit-Wanderprediger namens Jesus, der Christus/Christos oder wie auch immer gegeben haben kann, der sich durch sein Charisma, seine Eloquenz und seine abweichenden religiösen Vorstellungen von den gängigen jüdischen Schulen/Richtungen abhob.

    Und wie das nunmal gang und gäbe ist bei Streitigkeiten unter Religiösen, so auch hier: Abweichler werden bekämpft. In der besonderen Situation im seinerzeitigen Palästina nutzte man die ansonsten gehassten Römer dazu, diesen wohl besonders radikalen Häretiker an den Galgen zu bringen.

    Das ist aber auch schon alles, was man ausserbiblisch über die Anfänge des Christentum wusste.

    Und das Sueton zu dieser Zeit noch nicht gelebt hat, sagt nichts über seine Kenntnisse in diesem Zusammenhang aus, denn er hat schliesslich in seiner Kaiserchronik auch über Cäsaren berichtet, die längst verstorben waren.

    Tacitus sprach in Bezug auf Kaiser Neros Christenverfolgung 64 u. Z. auch schon von den „Chrestianern“, die sich wieder breit gemacht hätten. (Sie waren ja durch das Claudius-Edikt 49 u. Z. zusammen mit den altgläubigen Juden ausgewiesen worden, wurden aber später wieder eingelassen.)

    Die Qualität und Sachdienlichkeit von Suetons Schriftstellerschaft wurde in neuerer Zeit (vor allem im 19. Jahrhundert) zwar kritisiert, wurde aber ebenso gerühmt und als vorbildlich beschrieben (siehe Einleitung am Ende zu den Kaiserviten, herausgegeben von der Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung Anfang des 20. Jahrhunderts, übersetzt von Adolf Stahr).

    Der Wikipedia-Artikel, der sich mit der Kritik an Sueton befasst, ist übrigens ohne Quellenangaben.

    Wir sind allerdings weit abgekommen vom eigentlichen Thema des Podcasts.

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    • Es gibt aber noch weitere Punkte, auf die man sich einigen können müsste:

      Zitat: „Das widerspricht ja nicht der Annahme, dass es einen jüdischen Endzeit-Wanderprediger namens Jesus, der Christus/Christos oder wie auch immer gegeben haben kann, der sich durch sein Charisma, seine Eloquenz und seine abweichenden religiösen Vorstellungen von den gängigen jüdischen Schulen/Richtungen abhob.“

      Doch das tut es! „Christus/Christos“ ist der Titel des anerkannten Messias der Juden. Etliche bekamen ihn oder verliehen ihn sich selbst. Doch ein Jesus findet sich nicht darunter. Einen Messias Jesus ist den Juden unbekannt (wäre dem nicht so, hätte sich das Judentum auflösen können, bzw. (wahrscheinlicher) hätte es nie ein Christentum gegeben. Nicht mal ein Jesus, der sich gerühmt hätte, ein Christos zu sein, ist bekannt.

      Zitat: „Und wie das nunmal gang und gäbe ist bei Streitigkeiten unter Religiösen, so auch hier: Abweichler werden bekämpft. In der besonderen Situation im seinerzeitigen Palästina nutzte man die ansonsten gehassten Römer dazu, diesen wohl besonders radikalen Häretiker an den Galgen zu bringen.“

      Das ist ein weiteres Märchen, das die späteren Erfinder des Christentums mit Kalkül ersannen, denn man wollte die Römer „sauber“ halten (Staatsreligion als Ziel). Die Juden mussten die Mörder Jesu sein. Faktisch war den Römern die Religion in Palästina scheißegal. Sie wollten die Steuern kassieren, der Rest ging sie nichts an. Ebenso passt hierzu die Legende, die Juden hätten Jesus hingerichtet, indem sie den anderen Jesus freisprachen. Alles christliche Erfindung. Die Römer haben nur mit militärischen Anführern eines Aufstandes gegen sie kurzen Prozess gemacht.

      Zitat: „Und das Sueton zu dieser Zeit noch nicht gelebt hat, sagt nichts über seine Kenntnisse in diesem Zusammenhang aus, denn er hat schliesslich in seiner Kaiserchronik auch über Cäsaren berichtet, die längst verstorben waren.“

      Über Cäsaren gab und gibt es mannigfache Dokumente. In den Bibliotheken Roms lagerten Millionen Schriftrollen. Vieles davon wurde später von Christen verbrannt, weil sie nur Schriften aufhoben, die von Jesus berichteten. Also mindestens die hätten die Zeit doch überstanden. Doch es gibt sie nicht. Weil die frühen Christen dies sehr genau wussten, haben sie die fehlenden Quellen selbst gefälscht. Außerdem – ich wiederhole mich – berichtete Sueton von einem Aufrührer namens Chrestos in der Zeit ca. 40 – 50 u. Z.

      Zitat: „Tacitus sprach in Bezug auf Kaiser Neros Christenverfolgung 64 u. Z. auch schon von den „Chrestianern“, die sich wieder breit gemacht hätten. (Sie waren ja durch das Claudius-Edikt 49 u. Z. zusammen mit den altgläubigen Juden ausgewiesen worden, wurden aber später wieder eingelassen.)“

      Wenn sie einem Chrestos gefolgt sind, ist das auch verständlich. Anhänger des Chrestos nennen sich Chrestianer. Das ist bis heute übliche Praxis. Nochmal: Es kann im theologischen Sinne vor 70 u. Z. keine Christen im heutigen Sinne gegeben haben, nicht mal Gläubige, die einen Jesus vergötterten. Denn der wurde erst durch die Schriften des NT bekannt. Da die bekannten Evangelien – auch das „geheime Markus-Evangelium“ – einander widersprechen, gab es wohl keine authentische Quelle (die z. B. Sueton hätte verwenden können). Praktischerweise war Jesus angeblich Analphabet, zumindest hat er nichts schriftliches hinterlassen. So erklären sich dann Gläubige Unstimmigkeiten in Texten.

      Was aber klar erkennbar ist, ist der konstruierte Charakter der Schriften. So wird Jesus quasi als „Unjude“ dargestellt, der die Juden hasste, der von ihnen verraten und hingerichtet wurde. Der Mythos des „Christusmörder“ war ein wichtiges Merkmal für die Mission. Das ging soweit, dass die Nazis mit der evangelischen Kirche ein Projekt ins Leben riefen, um alles Jüdische aus der Bibel zu verbannen. Jesus selbst wurde arifiziert, d. h. blond mit blauen Augen dargestellt.

      Die „Flexibilität“ des Charakters „Jesus“ war nur möglich, weil es eben nichts Handfestes über ihn gibt. Da kann man sich eher über eine nicht kanonische Darstellung von Superman streiten als über eine weitere Interpretation Jesu. Dieser „Mensch“ war alles und nichts zur gleichen Zeit…

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      • Eine ganz einfache Frage:

        Welches Interesse sollten die „Heiden“ Sueton, Tacitus, Plinius, Lukian etc. daran gehabt haben, von einem aufständischen jüdischen Christus, dessen Hinrichtung und dessen Anhängerschaft aus der Zeit des Pontius Pilatus zu berichten, wenn es diesen überhaupt nicht gab?

        Dass diese Berichte vielleicht auch nur nachträgliche Fälschungen von Christen gewesen sein sollten, entbehrt jeder Grundlage.

        Viel interessanter ist die Frage, wie es diese winzige, spalterische jüdische Sekte es geschafft hat, zur Weltreligion aufzusteigen. Aber das ist eine andere Baustelle.

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        • Ich verstehe diese Frage nicht. Dass Plinius Band 10 eine nachträgliche Fälschung ist, ist doch in der Fachwelt allgemein bekannt. Sueton schreibt offensichtlich über einen Aufrührer.anderen Namens, zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort. Haben wir dazu nicht im Podcast ausführlich gesprochen? Ich glaube es war in Folge 56.

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        • Noch mal: Das Judentum ist eine Religion mit Messias-Kult. Das ist ein militärischer Führer der Aufständigen. Es gab viele dieser „Christusse“, aber keiner war ein „Jesus Christus“. Der war bis nach 70 u. Z. völlig unbekannt.

          Ich empfehle wirklich das Buch „Falsche Zeugen“ von Detering. Auch wenn christliche Theologen es gerne anders sehen: Es gibt keine einzige authentische Erwähnung eines JESUS Christus vor 70 u. Z.. Mutet das nicht seltsam an, wenn man bedenkt wie wirkmächtig der NT-Jesus in den Evangelien dargestellt wird?

          Kein einziger (!) zeitgenössischer Historiker, der in Palästina gelebt hatte, berichtet von diesem charismatischen Sohn des Vaters. Warum wohl? Warum ist alles auf jüdische Zahlenmystik aufgebaut – mit dem Dreh- und Angelpunkt des Brandes des 2. Tempels. DA, in DIESEM Moment wurde das Christentum notwendig und genau DA wurde es erfunden. Noch bis ins 2. Jh. u. Z. wurde an den Texten gearbeitet, um die Gläubigen zu Konversion zu bewegen. Bis es römische Staatsreligion wurde – was m. M. n. das ursprüngliche Ziel der „Mission Jesus“ war…

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  8. Ich verstehe überhaupt nicht, warum hier mit aller Macht die Mythos-Jesus-Theorie vertreten wird, die im Übrigen von der grossen Mehrheit der Jesus-Forscher – ob christlich oder nichtchristlich – abgelehnt wird und in Teilen als überholt gilt.

    Für mich als Atheist ist es doch geradezu eine Genugtuung und im Grunde eine Katastrophe für die Christus-Gläubigen, dass so wenig über diesen Christus ausserbiblisch überliefert ist.

    Wenn den frommen Christen ihr Bibel-Jesus genommen wird, wie die ausserbiblischen Quellen es tun, indem sie von Wunderdingen, obwohl sie sensationell wären, nichts berichten, müsste sie – wenn sie nachdenken würden – vielmehr verzweifeln lassen, als dass sie sich bestätigt fühlen könnten. Daher werden diese heidnischen Historien-Schnipsel von den frommen Christen auch gerne ignoriert und eher weniger als Beweis für die Existenz Jesu herangezogen, weil sie genau wissen, dass dann sofort nachgehakt würde, warum denn gerade das Spektakuläre, das Sensationelle, was den Wanderprediger Jesus erst zur gottgleichen Person macht – wie das Über-Wasser-Laufen, die wunderbare Brotvermehrung, die Auferstehung und Himmelfahrt, die Totenerweckungen und Blinden-und Lahmenheilungen, der herodianische Kindermord etc. – von den ausserbiblischen Historikern mit Nichtbeachtung gestraft wird.

    Und den Atheisten ist es letztlich egal, wer nun dieses Christentum begründet und ausdefiniert hat, wir müssen uns so oder so mit seinen schädlichen Folgen rumschlagen. Ob es ein Jesus Christus war oder ein Paulus oder die Evangelienschreiber oder die frühen Kirchenlehrer – geschenkt. Es ist letztlich ein akademischer Streit, immerhin ein spannender, weiter nichts.

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  9. Bei der Forschung geht es nicht um Genugtuung oder die Bestätigung einer Wunschvorstellung. Es tut mir also leid, wenn ich deiner Grundthese nicht folgen kann. Mir persönlich ist es völlig egal, ob es einen Wanderprediger namens Jesus gab oder nicht. Vermutlich gab es hunderte von ihnen. Das wäre wie die Frage, ob es bei uns einen Wandermönch namens Hans gab oder nicht. Jeshua – ich schrieb es bereits – war ein damals häufiger Name.

    Ich will auch nicht den Glauben von Christen antasten oder sie gar verzweifeln lassen. Ich habe einige Jahre über die Entstehung von Religion und dem Monotheismus im Besonderen gearbeitet. Natürlich geraten da auch die sogenannten Religionsstifter ins Visier. Es gibt einige, die plausibel nachweisbar sind, doch gerade das Gründungspersonal der großen Buchreligionen (Mose, Jesus und Mohamed) sind extrem schlecht, bzw. gar nicht belegt. Zumindest waren diese Gründer nicht das, was die „heiligen“ Bücher über sie berichten.

    Wer z. B. in Palästina nachweisbar ist, ist Johannes der Täufer (den ich für eine der kompilierten Personen in der Figur Jesus ansehe). Aber der war verrückt und konnte daher nicht die Lichtgestalt abgeben, die ein Gründer sein muss. Doch dies alles ist Jahrzehnte nach dem Tod dieser Personen kompiliert worden. Und zwar mit so schlechten Kenntnisse der historischen, geografischen und botanischen Gegebenheiten in der Levante, dass es Fachleute auf diesen Gebieten gibt, die die Autoren nach Rom verortet haben. Dort gab es die Bibliotheken, in denen all die Mythen gehortet wurden, um die Lichtgestalt Jesus zu formen.

    Was Gläubige damit anfangen, interessiert mich nicht. Wer weiter an den wundergeborenen, wunderheilenden und wundersamen Himmelfahrer glauben will, soll es tun. Denn gerade die Wundergeschichten sind es, die für viele Gläubige die Essenz Jesu darstellen. Dass dies Dummfug ist, ist sowieso klar. Ob Jesus (der dann ein Scharlatan gewesen wäre) gelebt hat oder in den Köpfen eines cleveren Autorenkollektive geboren wurde, ist für mich zweitrangig.

    Selbst wenn man einen handgeschriebenen Brief von ihm fände, würde sich für mich nichts ändern. Er wäre ein normaler Mensch gewesen, der sich mit den Römern angelegt und DAFÜR gekreuzigt wurde. Der gesamte – theologisch äußerst wichtige – Rest ist vollkommen belanglos, weil unmöglich.

    Aber genau deswegen – weil der „Mensch“ Jesus nie gefunden werden durfte – hat man ihn so erfunden, wie er geschrieben steht. Genau in dem Moment, als man ihn brauchte. Da die Ereignisse Jahrzehnte zurücklagen, gab es auch niemanden mehr, der damals in Palästina gelebt hatte und in die Runde sagen konnte: „Hey, Leute, was redet ihr da für einen Quatsch von einem Jesus, der ein Sohn Gottes gewesen sein soll. Ich habe damals dort gelebt und nie drang ein Wort über so einen Volkshelden an mein Ohr…“

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    • Welcher Grundthese von mir können Sie nicht zustimmen?

      Sie bestätigen doch, was ich die ganze Zeit versucht habe zu erläutern, nämlich dass es durchaus einen realen Kern hinter dem Wust von Legenden um Jesus von Nazaret geben könnte, wie das auch bei vielen profanen Märchen, Sagen, Verschwörungstheorien und fantasy-stories der Fall ist (siehe z. B. das Nibelungenlied).

      Und ein wenig von diesem harten und nüchternen Kern scheint eben bei den ausserbiblischen Quellen zu Jesus durch und trägt zur Entmystifizierung dieser Kunstfigur bei. Nicht mehr und nicht weniger.

      Die meisten von diesen Quellen sind eben keine Fälschungen, nur wurden sie Jahrhunderte lang ignoriert, bis im Zuge der Aufklärung die Leben-Jesu-Forschung einsetzte und später durch die historisch-kritische Methode ersetzt bzw. – mit Unterbrechungen – fortgeführt wurde.

      Fälschungen sind die „heiligen“ Schriften, nicht die ausserbiblischen Quellen.

      Im Übrigen ist es mir nicht gleichgültig, welcher Ideologie meine Zeitgenossen anhängen, sonst würde ich Fussball schauen und nicht im Forum diskutieren. Und Sie werden mir sicher zustimmen, wenn ich feststelle, dass die meisten religiösen Weltanschauungen für Leib, Geist und Leben immer noch eine Gefahr darstellen, gegen die man sich wappnen muss. Die Aufklärung ist uns nicht geschenkt worden.

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      • Wir sind ganz nah beieinander.

        Allerdings trenne ich zwei Dinge: 1. den Glaube an sich (also die Religion) und 2. die behauptete, faktische Grundlage.

        Der Glaube ist einerseits Privatsache und allein durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) abgesichert. Dass er gefährlich sein kann, zeigt ein Blick ins Geschichtsbuch (um nur im Christentum zu bleiben: allein der 30-jährige Krieg erzeugte proportional mehr Leid und sinnlosen Tod als WK II). Dagegen hilft Aufklärung, aber auch politische Bereinigung unserer Gesetze (z. B. sollte der § 166 StGB endlich ersatzlos gestrichen werden). Religionsunterricht sollte (wie ich das erfahren durfte), Aufklärung ÜBER Religion sein und kein Bekenntnisunterricht. Wenn sich der „offizielle“ Umgang mit Religion ändert, wird sich die Gesellschaft noch schneller säkularisieren.

        Aber dies muss auf Basis eigener Erkenntnis geschehen und nicht mit Zwang oder Verboten.

        Was hier streitgegenständlich ist, ist die Frage, ob es authentische Belege für die Existenz eines Jesus Christus gibt. Also die Frage, die Hermann Detering eingangs seines Buches stellt: „Wie geschichtlich ist der christliche Glaube?“ Oder ist er ein Konstrukt.

        Um eine geschichtliche Relevanz zu sehen, müssten die wesentlichen außerchristlichen Quellen – also Josephus, Tacitus, Sueton, Plinius der Jüngere, Mara bar Serapion und Tallus – authentisch sein. Sind sie es nicht, liegt der Verdacht nahe, dass das Christentum konstruiert ist.

        Ehe ich hier alles noch einmal aufrolle, zitiere ich aus dem Klappentext von Detering Buch: „Es zeigt sich, dass die angeblichen „Jesuszeugnisse“ weder einen historischen Jesus von Nazareth noch die Existenz eines frühen Christentums im ersten Jahrhundert bezeugen können. Die negativen historischen Resultate werfen die Frage nach der Bedeutung der Geschichte für den christlichen Glauben auf.“

        Noch mal kurz zur Person Hermann Detering: Er ist promovierter Theologe mit dem Forschungsschwerpunkt frühes Christentum.

        Ich persönlich finde es viel peinlicher für die christliche Selbstherrlichkeit, wenn die Religion keine Wurzeln hat. Blumen ohne Wurzel gibt es – es sind Kunstblumen!

        Wäre die Wurzellosigkeit – ich wiederhole mich erneut – kein Problem (Philosophien sind auch reine Kopfgeburten) für die frühen Christen gewesen, hätte man auf die Fälschungen, bzw. Missinterpretationen verzichten können. Aber offenbar war es unglaublich wichtig, dass es diesen Jesus tatsächlich gab.

        Ich habe eine ganze Regelwand mit Büchern, die sich mit diesem „echten“ Jesus auseinandersetzen. Was wurde und wird nicht alles in den armen Kerl hineininterpretiert? Ich bin schon der Meinung, dass sich das Verhältnis Gläubiger – die diese ganzen Bücher gekauft haben (allein Franz Alts „Jesus – der erste neue Mann“ hunderttausendfach) – ändern würde, wenn sie wüssten, dass das alles Interpretationen einer erfundenen Sagengestalt sind.

        Ich habe natürlich auch mit Theologen über die Thematik gesprochen. Dort war die Reaktion ablehnend bis giftig, weil nicht ist, was nicht sein DARF! Wie schrieb der Autor, der als einer der Pauli gilt? „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsere Predigt leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15,13 f)

        Um wieviel mehr gilt das, wenn der angeblich Auferweckte nicht einmal gelebt hat? DAS ist mein Ansatz. Wir müssen nicht über den Blödsinn nachdenken, der in diesen „heiligen“ Büchern steht. Sie sind per Eigendefinition (s. o.) sinnlos, wenn es Jesus nie gab…

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        • Ihr Herr Detering in allen Ehren, aber er ist ja nicht der einzige, der sich mit der Historizität des Jesus von Nazareth auseinandergesetzt hat.

          Was ich weiss, ist aber Folgendes:

          Kein Kleriker und Theologe hat jemals und wird auch jemals Sueton, Tacitus oder Plinius als ernsthafte Zeugen für die realen Wurzeln seines Glaubens aufrufen. (Z. B. erwähnt Ratzinger mit keinem Wort die besagten heidnischen Quellen in seinem Buch „Jesus von Nazareth“ zur Rechtfertigung für die reale Existenz Jesu.)

          Sie sind für diese schlicht irrelevant. Man hat Jahrhunderte lang gut damit gelebt, weil nur die Bibel und vielleicht noch die Logienquellen als das alleinige und unumstössliche Beweismaterialien für die Existenz des Jesus von Nazareth anerkannt wurden. Erst in neuerer Zeit im Zuge der Aufklärung – wie ich schon sagte – fing man an, die faktischen Grundlagen des Christentums zu erörtern und zu hinterfragen. Da war es aber für mögliche Fälschungen schon zu spät.

          Jedenfalls zur Zeit des Urchristentums bedurfte es keiner Unterstützung durch ausserbiblische Quellen. Der Aberglaube grassierte, die Messiaserwartung war riesengross und das Ende der bestehenden Welt war eine reale Option für die damaligen Juden. Denen konnte man alles erzählen. Und wer das am cleversten auszunutzen verstand, war im Vorteil.

          Deswegen ist es auch reichlich müssig, darüber zu streiten, wer denn nun letzten Endes das Konstrukt Christentum in der Antike „erfunden“ hat oder wie es entstanden ist. Fälschungen ausserbiblischer Aussagen über das Leben Jesu bedurfte es dazu ganz sicher nicht.

          Es ist doch sogar heute noch im 21. Jahrhundert möglich, religiöse Menschen mit den abstrusesten alternativen Fakten in die Irre zu führen. Da war das um die Zeitenwende erst recht ein Kinderspiel. Da waren die Evangelienschreiber nicht auf Sueton et al. angewiesen.

          Fakt ist jedenfalls, dass das Christentum in der heutigen Zeit nicht durch angebliche Fälschungen ausserbiblischer Quellen zu erschüttern ist, sondern durch ganz andere Umstände, die wir alle kennen.

          Also eigentlich viel Lärm um nichts.

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          • Wieder habe ich nicht viel hinzufügen.

            Doch ganz verkneifen will ich mir eine Antwort nicht, da sie Ihre ausführliche Antwort verdient.

            Natürlich brauchte der „Otto Normalgläubige“ keine Beweise für Jesu Existenz. Aber es wird gerade in der Anfangsphase schon den einen oder anderen gegeben haben, der es genauer wissen wollte, wem er da folgen sollte. Schließlich war Jesus der Oberguru, der gerade durch sein angebliches Christussein die Abspaltung vom Judentum erst ermöglichte.

            Vereinfacht:

            Jude = Messiaserhoffend

            Christ = Messiasbesitzend

            Und wenn Jesus ein solcher Messias (Christus) war, dann konnten auch die Gebildeteren den neuen Glaube annehmen. Schließlich strebte das Christentum an, römische Staatsreligion zu werden. Da gab es sehr viele hochgebildete Menschen, die in dieser Causa ein gehöriger Wort mitzureden hatten.

            Wäre das Christentum eine Sekte geblieben, die sich innerhalb bildungsferner Familien fortgepflanzte, dann wäre in der Tat die Existenz Jesu zweitrangig gewesen.

            Fakt ist: Es gibt die Fälschungen! Das ist zweifelsfrei bewiesen (die mildeste Version wäre: sie sind umstritten). Warum also? Weil sie der Oberschicht vorgelegt werden mussten, um einen Beweis für Jesu Existenz (siehe Paulus-Zitat) und damit die „Korrektheit“ des Christentums vorzuzeigen.

            Dass Gläubige in der Regel die Bibel an sich als Beweis ansehen – nun ja, das muss man ernsthaft nicht kommentieren. Es ist halt ein Glaube. Und warum ein Papst die außerbiblischen Quellen nicht benennt? Nun, er wird um deren Zweifelhaftigkeit wissen. Das wird ja nicht erst seit Detering diskutiert.

            Was aber viel wichtiger ist (aus meiner historisch interessierten Sicht), ist die Frage, seit wann es das Christentum gibt (und nicht bloß den Glaube an einen der vielen Messiasprätendenten). Und hier gibt es keinen einzigen plausiblen Beleg (!), dass es im 1. Jh. u. Z. überhaupt eine Gemeinde gab, die einen JESUS Christus angebetet hat. Als deren Bewies reicht mir die Bibel (NT) nicht, die nachweislich erst nach 70 u. Z. begonnen wurde zu schreiben und vermutlich erst im 2. Jh. als Buch zusammengefasst wurde.

            Damit ist das Christentum laut seiner eigenen Vorgaben obsolet. Ob das Gläubige annehmen oder nicht, ist irrelevant. Sie dürfen an ihren Jesus auch glauben, wenn er nie existierte und wenn der Beginn ihrer Religion ein völlig anderer war, als sie glauben. Da sind sie auch niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig. Und wenn sie das alles (trotzdem) glauben, dann werden sie auch die abstrusen Inhalte glauben und die kann man ihnen mit den gleichen Argumenten nicht „ausreden“.

            Für mich geht es in der Debatte um Aufrichtigkeit. Wenn jemand zu einer ernsthaften (!) Diskussion bereit ist, dann ist das einfachste Argument, die Grundlagen seiner Religion ad absurdum zu führen. Denn wenn diesbezüglich bereits die ersten Kirchenlehrer gelogen haben – oder die Wahrheit nicht kannten -, dann steht diese Religion nicht auf tönernen Füßen, sondern auf gar keinen…

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