Kirchenaustritte 2015

Es gibt neue Zahlen zu Kirchenaustritten und -mitgliedschaften, kirchenaustritt.de hat sie gesammelt und aufbereitet. Demnach haben im Jahr 2015 ca. 400.000 Deutsche die beiden Großkirchen verlassen, bei der EKD waren es ca. 210.000, bei der RKK ca. 182.000. Es sind noch 46.033.733 Personen kirchlich organisiert, das sind 56,2% der Bundesbürger. Der Austrittsrekord von 2014 konnte demnach nicht gebrochen werden, die Austritte sind allerdings auch ohne Tebartz-Effekt noch auf dem zweithöchsten Niveau seit der Austrittswelle in den Jahren nach der Wiedervereinigung.

Es sieht so aus, als ob die Daumenregel, dass die Kirchen jedes Jahr ein halbes Prozent der Mitglieder als Steuervieh verlieren, weiter gilt. Wir dürfen also hoffen, dass um 2028 herum erstmals weniger als die Hälfte der Menschen kirchlich organisiert sind. In einer Demokratie sollte das eigentlich eine beachtenswerte Marke sein.

Ein guter Teil der Austritte 2014 und 2015 dürfte dem neuen Verfahren zur Erhebung der Kapitalertragssteuer geschuldet sein: Seit Januar 2015 wird die auf Kapitalerträge fällige Kirchensteuer direkt von den Banken an die Finanzämter abgeführt, die Steuerpflichtigen müss(t)en sich nicht mehr eigenverantwortlich darum kümmern. De facto wurde also eine Lücke geschlossen, die Steuerhinterziehung zum Nachteil der Kirchen ermöglichte.

Für mich stellt sich nun die folgende Frage: Was müssen das bloß für Menschen sein? Diese Leute sind grundsätzlich bereit aus der Kirche auszutreten, sind also ganz offensichtlich nicht um ihr Seelenheil oder ihr ewiges Leben nach dem Tod besorgt. Als aber 2010/2011 öffentlich wurde, dass insbesondere die katholische Kirche über Jahrzehnte hinweg Massenvergewaltigungen an Kindern ermöglicht und systematisch verschleiert, hat das diese Leute nicht weiter interessiert, sie sind brav Mitglied geblieben. Jetzt aber, da sie gezwungen werden ihr Kapitaleinkommen gemäß der für alle gültigen Regeln zu versteuern, treten sie in Scharen aus. „Absolut überlegene Moral“ und so. „Werte und Gemeinschaftsgefühl,“ nicht wahr? Nee, ist klar.

6 Gedanken zu „Kirchenaustritte 2015

  1. Na, ich weiß ja nicht. Um von der Kirchensteuer auf Kapitalerträge betroffen zu sein, muss man ja überhaupt erstmal kapitalertragssteuerpflichtig sein, also mehr als 801€ pro Person und Jahr am Finanzmarkt einnehmen. Wenn man das z.B. über Tagesgeld erreichen möchte, muss man aktuell ca. 80.000€ investieren. Und dann kann man ja immer noch der Weitergabe des Konfessionsmerkmals an die Banken widersprechen und einen Sperrvermerk setzen lassen. Dann läuft alles wie früher und aufwändiger als der Kirchenaustritt ist es auch nicht.

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    • Die Entscheidung der Menschen fiel doch nicht wegen der zu zahlenden Summe. Die Banken haben jeden schriftlich darüber informiert, dass sie in Zukunft diese Steuer direkt von den Zinsen abziehen werden, nicht nur die, für die es tatsächlich um eine nennenswerte Summe geht. Das hat einen Impuls ausgelöst. Natürlich sind die Leute nicht wegen der paar Cent ausgetreten. Sie sind ausgetreten, weil sie schon lange die Existenz Gottes und das positive Wirken der Kirche in der Welt bezweifeln. Es brauchte nur noch einen Anlass, ein weiteres Ärgernis, um jetzt doch endlich mal auszutreten.

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