Nur wenige Leute wissen, dass der deutsche Staat den beiden Großkirchen jährlich direkte Zuwendungen von etwa 480 Mio. Euro zukommen lässt, die sogenannten Staatsleistungen. Die Zahlung ist Sache der Länder, die sehr unterschiedliche Beträge für angemessen halten. So zahlte z.B. allein das Land Baden-Württemberg im Jahr 2010 102,6 Mio. Euro an Steuergeldern an die Kirchen aus, das entspricht 9,55 Euro pro Einwohner – vom Säugling bis zum Greis. Die höchste Zahlung pro Einwohner leistet überraschenderweise das weitgehend religionsfreie Land Sachsen-Anhalt mit 12,19 Euro pro Person. Hier wird jeder Protestant mit 70,35 Euro, jeder Katholik im Land mit 59,52 Euro bezuschusst. Fast gleichauf bei der Zahlung pro Einwohner liegt Rheinland-Pfalz, dessen Steuerzahler jährlich 48,4 Mio. Euro, also 12,06 Euro pro Person, an die Großkirchen zahlen.
Seit 1919 befiehlt die jeweils gültige deutschen Verfassung die Einstellung dieser Staatsleistungen. Seit 1919 wird dieser Verfassungsbefehl ignoriert. Lediglich die hanseatischen Stadtstaaten Hamburg und Bremen zahlen nicht. In Hamburg soll die katholische Kirche bei der Neugründung des Erzbistums 1994 deswegen angeklopft, aber von Bürgermeister Voscherau eine Absage erhalten haben.
Die Staatsleistungen werden von Kirchenlobbyisten immer wieder als zwingend gebotene „Entschädigungen“ für vermeintliche Verstaatlichungen von Kirchenbesitz verkauft. Das stimmt jedoch nicht.
Staatsleistungen – Was ist das?
Als Folge der französischen Revolutionskriege wurde in den Jahren 1802-3 das Deutsche Reich politisch neu strukturiert. In diesem Rahmen wurden auch die Reichslehen der Fürstbischöfe wie damals üblich eingezogen und neu vergeben. Diese betroffenen Fürstbischöfe erhielten von ihren adeligen Standesgenossen ein Gehalt auf Lebenszeit zugesagt, die Staatsleistungen. Mit dem Tod des letzten betroffenen Fürstbischofs hatten diese Staatsleistungen damit bereits im 19. Jahrhundert ihre Berechtigung verloren. Trotzdem schaffen es Kirchenvertreter und die Kirchenlobby in den Parlamenten, zumeist mit Hinweis auf angebliche „illegale Enteignungen“ in geschickter Weise immer wieder, die Fortzahlung durchzusetzen.
Die Besitztümer der „Ortskirchen“, wie Kirchengebäude, Pfarrhäuser, wohltätige Einrichtungen, Ackerland, etc, blieben weiterhin kirchliches Eigentum. Ein Teil der Klöster wurde verstaatlicht. Da diese aber auch damals traditionell selbständig wirtschafteten, betraf diese Maßnahme die Gesamtkirche nicht.
Die Neuordnung war also aus damaliger Sicht politisch und juristisch vollkommen angemessen und im Wesentlichen die Folge verlorener Kriege. Die ab und an gehörte Analogie, die Staatsleistungen seien wie die „Miete für eine Wohnung“, greift nicht. Dieser Argumentation folgend könnten die Araber von Spanien eine „Miete“ für Andalusien verlangen, oder Deutschland von Frankreich für Elsass-Lothringen.
Bundesland |
Zahlungen 2010 |
Pro Einwohner |
Baden‐Württemberg |
102,6 Mio. Euro
|
9,55 Euro |
Bayern |
87,2 Mio. Euro |
6,97 Euro |
Berlin |
10,6 Mio. Euro |
3,08 Euro |
Brandenburg |
11,3 Mio. Euro |
4,52 Euro |
Hessen |
44,2 Mio. Euro |
7,29 Euro |
Mecklenburg-Vorpommern |
11,1 Mio. Euro |
6,71 Euro |
Niedersachsen |
39,1 Mio. Euro |
4,93 Euro |
Nordrhein-Westfalen |
21,0 Mio. Euro |
1,18 Euro |
Rheinland-Pfalz |
48,4 Mio. Euro |
12,06 Euro |
Saarland |
0,7 Mio. Euro |
0,69 Euro |
Sachsen |
22,9 Mio. Euro |
5,48 Euro |
Sachsen-Anhalt |
28,7 Mio. Euro |
12,19 Euro
|
Schleswig-Holstein |
12,0 Mio. Euro |
4,24 Euro |
Thüringen |
21,5 Mio. Euro |
9,57 Euro |
Quellen:
Im Rahmen einer Artikelreihe dokumentieren wir Ursachen, Begründungen, aktuelle Entwicklungen und mögliche Auswege aus dem System Staatsleistungen.