Das kosmologische Kalām-Argument für die Existenz Gottes

Das Kalām-Argument für die Existenz eines Gottes ist im Wesentlichen ein sprachlicher Trick, der die allzu offensichtlichen Fehler des klassischen kosmologischen Arguments verschleiern soll. Das kosmologische Argument geht so:

„Nichts ist von sich selbst verursacht. Alles Existierende hat eine Ursache. Dies führt zu einem Regress. Dieser Regress wird durch eine erste Ursache begrenzt, diese nennen wir Gott.“

Religionisten, die so argumentieren, werden meist schon durch ein einfaches „Woher weißt du das?“ aus dem Konzept gebracht. Es ist ja klar: So ein hochkomplexes, mächtiges Wesen wie ein Gott, wie ist das entstanden? Was ist seine Ursache? Der Gott, hören wir dann, sei ewig und ungeschaffen. Eben wurde aber noch vorausgesetzt, dass nichts ursachenlos existieren kann. Der ursachenlose Gott existiert also nicht. Das kosmologische Argument entpuppt sich als Zirkelschluss.

Um das Problem mit diesem infiniten Regress zumindest notdürftig zu stopfen (und dies ist nur eins von vielen Problemen mit dem kosmologischen Beweis), wurde das Kalām-Argument entwickelt:

(P1) Alles, was zu existieren beginnt, hat eine Ursache für seine Existenz.
(P2) Das Universum begann zu existieren.
(S1) Daher: Das Universum hat einen Ursache für seine Existenz, diese nennen wir Gott.

Darauf folgt in der Regel eine sehr lange, umständliche Begründung von P2, während P1 allenfalls als „trivial“ abgetan wird. Hm, soll mit dieser ausführlichen Beschäftigung etwa von P1 abgelenkt werden?

Ja, in der Tat. Die Religionisten werfen hier nämlich mehrere Bedeutungen des Begriffs „Ursache“ in einen Topf. In der alltäglichen Verwendung hat tatsächlich „alles“ eine Ursache oder einen Schöpfer: Bilder werden von einem Maler gemalt und Autos in einer Fabrik gebaut. Bei dieser Schöpfung oder Ursache handelt es sich aber lediglich um eine Umwandlung bestehenden Materials, eine creatio ex materia: Aus Leinwand und Pigment wird mithilfe eines Pinsels ein Bild, dieser Prozess ist seine Ursache, der Maler sein Schöpfer. Ebenso wird aus Metallerzen und Kohlenstoffen durch Prozesse wie Schmelzen oder Formen ein Auto.

Dieser ex materia Begriff “Ursache” ist jedoch völlig verschieden von der im zweiten Teil des Kalam-Arguments verwendeten Schöpfung ex nihilo, also der behaupteten Schöpfung des Universums aus dem Nichts, dem Nicht-Sein. Durch dieses Springen zwischen Bedeutungen soll der Eindruck erweckt werden, dass die Entstehung des Universums als creatio ex nihilo ebenso eine Ursache voraussetzt wie die einfache Umwandlung von Materie, die creatio ex materia.

Diese versteckt eingebrachte Behauptung ist aber komplett ohne Hinweise auf ihre Korrektheit: Tatsächlich weiß niemand, ob das Universum eine Ursache haben muss, denn niemand hat jemals so eine creatio ex nihilo beobachtet oder damit experimentiert. Es gibt solide Anzeichen dafür, dass man auch ohne externe Ursache auskommt: Kosmologen vermuten natürliche Raumfluktuationen, aus denen aus dem Nichts spontan und völlig ursachenlos Elementarteilchen entstehen, aus denen sich die Welt aufbaut.

Die Religionisten spielen also mit der Erwartung der Leser: Zuerst wird die intuitive Bedeutung des Begriffs „Ursache“ eingeführt, dann zur kosmologischen Bedeutung gewechselt und schließlich so getan, als ob beide Bedeutungen, also creatio ex nihilo und creatio ex materia, das gleiche meinen. Tun sie aber nicht. Ehrliche Religionisten müssten stattdessen versuchen nachzuweisen, dass auch so eine Schöpfung aus dem Nicht-Sein eine Ursache benötigt. Das tun sie aber nicht.

Und selbst, falls das irgendwann irgendwem irgendwie gelingen sollte: Die Bezeichnung einer irgendwie gearteten Ursache des Universums als „Gott“ ist völlig willkürlich. Der logische Sprung von der unpersönlichen Urkraft hin zu Bibel-Gott Jahwe mitsamt Bundeslade, Jesus und Marienwundern – dieser Sprung ist unendlich weit und bleibt völlig ohne jeden Beleg.

Falls sich jemand für einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich Kosmologie und speziell für die Vakuumfluktuationen als Quellen der Materie interessiert, empfiehlt sich Lawrence Krauss‘ kurzes Buch „Ein Universum aus dem Nichts„.

Kosmologische Gottesbeweise: Von nix kommt nix! – Oder?

Die kosmologischen “Gottesbeweise” möchten zeigen, dass Jahwe, ein höheres Wesen von großer Macht, das Universum geschaffen haben muss. Viele Religionisten haben nach Jahrhunderten des heftigen Wehrens dabei mittlerweile die Ansicht der Wissenschaftler akzeptiert, dass das vor etwa 13,72 Mrd. Jahren passiert sein muss. Eine lautstarke Minderheit geht allerdings nach wie vor davon aus, dass das Universum – quasi bereits fertig gebacken – am 22. Oktober 4004 v.d.Z., kurz vor dem Abendessen, erschaffen wurde – aber dazu ein andermal mehr.

Es gibt verschiedene Varianten des kosmologischen Arguments, die gemeinsame, aber dazu auch jeweils eigene Fehler haben. Ich schaue mir erstmal die Fehler an, die allen Varianten gemeinsam sind. Falls jemand dringendes Interesse an der Besprechung spezieller Beweisgänge haben sollte: Bitte melden!

“Mama … Woher komm ich? Und davor? Und davor?”

Man stelle sich ein Kind vor, das seine Mutter fragt “Mama, wie bin ich entstanden?” – “Dein Vater und ich hatten Sex und du bist unser Fortpflanzungsprodukt.” – “Und wie seid ihr entstanden? Und was war davor? Und davor? … Und davor?” Eine unendlich geduldige Mutter würde mit ihren Antworten die biologische Evolution, die chemische Evolution, organische und anorganische Chemie und verschiedene Gebiete der Physik bis hin zur Kosmologie durchwandern. Irgendwann landet sie bei “Und davor war der Urknall. Wie der entstanden ist, weiß niemand.”

Die Idee, dass es für jedes existierende Phänomen eine Ursache geben muss, und für diese Ursache wieder eine Ursache, etc., nennt man auch “Unendlicher Regress”. Es gibt eine Reihe von Ansätzen, mit dem Phänomen umzugehen. Die aktuell von den meisten Kosmologen akzeptierte Variante ist: “Vor dem Urknall existierte eine Singularität, die Regeln der Mathematik gelten in so einem Fall nicht. Wir können daher keine Aussagen darüber treffen, was ‚vorher‘ war. Möglicherweise gibt es auch kein ‚vorher‘, da Zeit eine Eigenschaft des Raums ist, der mit dem Urknall erst aufgespannt wurde.”

Religionisten können dieses Unwissen typischerweise nicht verkraften, sie fordern Gewissheit und eindeutige Antworten. Und wenn sie auf rationalem Wege keine finden, denken sie sich eben selbst welche aus. Dabei machen sie zwangsläufig eine Reihe von Fehlern.

1. Fehler: Ein Argument aus dem Unwissen

Religionisten ziehen an dieser Stelle gern ein Argument aus Unwissen oder Ignoranz aus dem Hut: “Aha! Wie es zum Urknall kam, ist also nicht bekannt. Ich kann mir auch keine wissenschaftliche Antwort vorstellen, daher kann es keine geben. Ich darf mir daher eine beliebige These ausdenken, die dann stimmen muss. Ich sage: Der Urknall wurde von Jahwe ausgelöst.”

Dieses Vorgehen ist naheliegenderweise Unsinn und bedarf wohl keiner weiteren Beleuchtung. Insbesondere der Sprung von “Man weiß es nicht” zu “Jahwe war’s!” ist völlig willkürlich, ebenso gut könnte man folgern “Papa Schlumpf war’s!” oder “Der Weihnachtsmann war’s!”

2. Fehler: Ganz oder gar nicht! – Entweder für alles Existierende muss es eine Ursache geben oder eben nicht

Um die Notwendigkeit einer “Schöpfung” als Ursprung des Universums nachzuweisen, behaupten die Religionisten, dass es für alles Existierende eine Ursache geben müsse, auch für den Urknall. Diese Ursache, so behaupten sie, sei ihr Gott. Jetzt geraten die Religionisten aber in eine von ihnen selbst gestellte Falle: Selbst wenn der Gott das Universum geschaffen haben sollte, wäre der unendliche Regress nicht gelöst – Wenn es für alles Existierende eine Ursache geben muss, dann auch für das Vorhandensein des Gottes. Aber wie ist der entstanden? Was war seine Ursache?

Die Religiösen sagen nun: “Nein, Gott ist ewig.” Also gibt es doch Ausnahmen in der Ursache-Regel? Aber wenn man schon eine Ausnahme zulässt, warum gilt die dann nur speziell für den Gott, und nicht etwa für den Urknall selbst? Empfohlen sei an dieser Stelle der sehr erhellende Vortrag des Physikers Lawrence Krauss “A Universe from Nothing”, in dem er den unendlichen Regress, wie der Titel verspricht, auflöst.

3. Fehler: William von Ockham greift zum Skalpell

Beide beschriebenen Fehler reichen jeweils aus, um die These “Jahwe war’s!” als äußerst zweifelhaft erscheinen zu lassen. Aus Gründen der mentalen Gymnastik könne wir noch einen dritten Fehler betrachten. Zur Entstehung des Universums stehen sich vereinfacht die beiden folgenden Ansätze gegenüber:

Ansatz 1: “Der Urknall entstand aus einer Singularität. Fragen zu ‚Ursache‘ oder einem ‚Davor‘ können wir nicht beantworten.”
Ansatz 2: “Der Urknall entstand aus einer Singularität. Außerdem wurde er von Jahwe angestoßen, der ein allmächtiges, allwissendes Wesen ist. Fragen zu ‚Ursache‘ oder einem ‚Davor‘ können wir nicht beantworten.”

Der “Ockhams Skalpell” genannte Grundsatz ist seit Jahrhunderten ein grundlegendes Werkzeug des kritischen Denkens. Er besagt, dass man Bestandteile eines Erklärungsansatzes, die für die Aussagekraft der Erklärung unnötig sind, aus der Formulierung raus lassen sollte. Wenn man sich die beiden Ansätze anschaut, stellt man fest, dass die Idee “Jahwe war’s!” keinerlei zusätzliche Erklärungskraft liefert. Sie macht den Ansatz 2 lediglich deutlich unwahrscheinlicher als den Ansatz 1, ähnlich wie ein “Papa Schlumpf war’s!” eher ein Stirnrunzeln als ein begeistertes Nicken hervor rufen würde. Oder, um es kurz zu sagen: Die Idee eines göttlichen Eingriff ist für eine Erklärung für den Ursprung des Universums unnötig.

• Der Physiker Lawrence Krauss mit seinem Vortrag “A Universe from Nothing”: http://www.youtube.com/watch?v=Mg9beW9FFm8