„Wir wissen, dass Jesus gelebt hat. Es gibt außerbiblische Zeugnisse!“ – Ähm, nein!

Christen behaupten gern, dass Jesus eine historische Gestalt sei, für dessen Existenz es außerhalb der Bibel Hinweise gäbe. Das erscheint auf den ersten Blick durchaus wahrscheinlich, denn die römische Besatzungsmacht war ja bekanntermaßen gut organisiert, außerdem gab es zu dieser Zeit eine Reihe von Chronisten. Da Jesus nach Schilderung der Evangelien in Judäa ordentlich die Welle gemacht hat, wird bestimmt jemand im weiten römischen Reich von ihm Notiz genommen haben. Oder?

Bizarre Formulierungen bei Josephus Flavius: Eine christliche Fälschung!

Die Antwort ist auch hier wieder: Nein. Religionslehrer und Priester zitieren immer wieder dieselbe Stelle in den Schriften des jüdischen Historikers Josephus Flavius (ca. 38-100). Dort soll der Chronist um 93 aufgeschrieben haben, dass der lang erwartete Messias aufgetaucht sei; er habe Jesus geheißen und sei zum Tod am Kreuz verurteilt worden.

Seit der Reformation – also seit sich jemand getraut hatte, näher hinzuschauen – ist diese Stelle als nachträglicher Einschub – sprich: Fälschung! – bekannt, der sich in Vokabular und Stil völlig vom Rest der Schrift unterscheidet.

Andere Quellen: Wundern sich über „diese Christen“, beschreiben nicht Jesus

Es gibt ein paar weitere Erwähnungen in römischen Quellen, die um das Jahr 100 begannen. Die beschreiben allerdings das Christentum und seine aus damaliger Sicht absurd erscheinenden Lehren, nicht die Person Jesu.

Damit ist die Auswahl der „außerbiblischen Zeugnisse“ für die Existenz Jesu also reduziert auf eine bekannte Fälschung und eine Reihe von Nacherzählungen frühchristlicher Lehren. Mit anderen Worten: Auf null.

Dies ist übrigens bei Textkritikern allgemein bekannt, also auch bei Priestern und Religionslehrern. Man kann daher davon ausgehen, dass sie nicht aus Unwissen auf die gefälschten „Beweise“ pochen, sondern bewusst lügen.

15 Gedanken zu „„Wir wissen, dass Jesus gelebt hat. Es gibt außerbiblische Zeugnisse!“ – Ähm, nein!

  1. Wobei es ja für die Kernfrage auch keine Rolle spielt.
    Ich bin zum Beispiel ziemlich sicher, dass irgendwann mal ein Wanderprediger gelebt hat, der Jeshua hieß, oder so ähnlich, und womöglich ein paar Sachen gesagt hat, die gewisse Ähnlichkeit zu dem aufweisen, was heute in der Bibel steht.
    Wäre ja bizarr, wenn es nicht so wäre.

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  3. Danke für den Artikel. Als Ex-Christ muss ich mir nicht nur „neues“ Wissen aneignen, sondern gleichzeitig versuchen, „altes“ vermeintliches Wissen abzuwerfen…

    Was sind deine Quellen für die Aussagen in obigem Text, insbesondere bezüglich Fälschung der Josephus-Texte und deren Bekanntheit.

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    • Hallo „Pat“,
      Ich habe große Bedenken wenn jemand sich als „Exchrist“ bezeichnet.
      Das hat seinen Grund in den vielen falschen Vorstellungen was überhaupt grundsätzlich ein Christ ist.
      Ich sehe da einen großen Klärungsbedarf.

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  4. Meines Erachtens ist die Flavius-Fälschung unter Historikern allgemein bekannt, ich habe davon zumindest bei Ehrman, Hitchens und m.E. auch bei Schmidt-Salomon gelesen.

    Ab und zu liest man auch eher abenteuerliche Erklärungen für den Einschub: Es könnte ja z.B. sein, dass der Übersetzer/Kopist einen deutlich längeren Originaltext über Jesus langweilig fand und daher verstümmelt wiedergegeben hat. Oder auch das Gegenteil: Ein kurzer Text, der in Flavius‘ Original ganz bestimmt voll echt drin stand, wurde vom Kopisten verlängert und hat deswegen ein anderes Sprachbild. Dazu soll sich jeder seinen Teil denken.

    Die frühen „Kirchenväter“ (Justin, Tertullian und Cyprian) kannten den Einschub jedenfalls nicht, zitierten sonst aber ausführlich aus Flavius‘ Texten. Warum sollten sie ausgerechtet diese starken Stellen ignorieren? – Man weiß es nicht.

    Die anderen Chronisten schweigen: Philo von Alexandria – keine Erwähnung, Justus von Tiberias – nichts, und auch bei Flavius Josephus selbst in seinem Bellum Judaicum, einer Art bestellter Geschichtsschreibung zur Rechtfertigung der Niederschlagung der jüdischen Aufstände (würde also prima passen) – nichts.

    Wie immer nach 2000 Jahren Gelegenheit zur Fälschung: Nichts genaues weiß man nicht. Gerade während des Aufstieg des Christentums im 2.-3. Jahrhundert gab es großen Bedarf nach einer „Sicherung“ der Ursprungsmythen. Da damals oft keine professionellen Kopisten am Werk waren, sondern christliche Texte häufig von enthusiastischen Laien kopiert wurden, gibt es massenhaft Fehler, Auslassungen, „Anpassungen“ an die gewünschte Theologie, etc. Literaturempfehlung dazu: „Misquoting Jesus“ von Bart Ehrman. Ehrman schätzt, dass sich die noch vorhandenen Manuskripte allein des Neuen Testaments an 200.000 bis 400.000 Stellen voneinander unterscheiden.

    Kann man die Existenz eines durch die Lande ziehenden Rabbi Joshua ausschließen? Nein. Genau so wenig wie die eines Rabbi Ben, Bill oder Butch. Die Behauptung aber, Jesus‘ Existenz sei gesichert, ist falsch.

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