Nochmal zum Mitschreiben: Atheismus ist keine Religion!

Allmählich ist man es leid: Viele Religionisten können sich nicht vorstellen, dass ein Mensch ohne Glauben an das Übernatürliche leben und glücklich sein kann. Daher gehen sie davon aus, dass auch Atheismus irgendwie eine Religion sein müsse. Offenbar fühlen sie sich, wenn sie diese Behauptung oft genug wiederholt haben, nicht mehr vage moralisch unterlegen. Viele Religionisten behaupten auch, Atheisten würden heimlich an Jahwe glauben, ihn aber aus im Dunkeln bleibenden Motiven hassen.

A-Theismus: Ohne Belege glauben wir nicht an eure Gottheit

Daher nochmal in aller Klarheit: Atheismus ist einfach nur A-Theismus. Wir glauben lediglich nicht an Jahwe, ein übermächtiges, übermenschliches Wesen, das das Universum geschaffen hat, die Gedanken aller Menschen auf der Erde liest und über ihre Zukunft entscheidet. Wir glauben es nicht. Auch wenn es in der Bibel steht, wir glauben es trotzdem nicht. Auch, wenn ihr eure “Lehrenimmer und immer wiederholt, ohne einen einzigen Beleg zu nennen – wir glauben es nicht. Die Theisten glauben daran, wir nicht. Das ist alles.

Atheisten behaupten übrigens auch nicht, dass es Jahwe mit Sicherheit nicht geben könne. Wir wissen es nicht, glauben aber nicht daran. Zu schwierig? Okay, ein Beispiel: In einem Garten gibt es eine Wiese, die entweder eine gerade oder eine ungerade Anzahl von Grashalmen hat. Person A behauptet ohne weitere Belege (insbesondere ohne nachgezählt zu haben): “Es ist eine gerade Anzahl!” Person B hat eine skeptische Weltsicht und meint “Das behauptest du ohne Belege? Dann glaube ich es dir nicht.” – Person B behauptet nicht, dass die Anzahl der Halme ungerade sein muss. B weiß, dass die Anzahl entweder gerade oder ungerade ist. Sie weiß lediglich nicht, welche der Möglichkeiten zutrifft. Sie ist also, um bei der Begriffsbildung zu bleiben, ein A-Grasist.

Ihr hasst doch auch den Weihnachtsmann nicht, oder?

So, jetzt verstanden, liebe “Alle Menschen sind religiös”-Behaupter?

Okay, also immer noch nicht. Hier eine Analogie: Viele Menschen über acht Jahre glauben nicht an die reale Existenz des Weihnachtsmanns. Und das, obwohl für die Figur in jedem Winter im Einkaufszentrum Reklame gemacht wird und seine Existenz (ohne Belege) immer wieder in Werbeprospekten und zum Zwecke der Kindererziehung behauptet wird. Trotzdem: Kein Erwachsener glaubt daran. Natürlich besteht vage die Möglichkeit, dass irgendwo am Nordpol der “wahre” Weihnachtsmann haust. Sollte sich diese These als wahr heraus stellen, käme mein Weltbild gehörig ins Wanken. Das wäre interessant!

Trotzdem, niemand käme auf die Idee, einem A-Weihnachtsmannisten vorzuwerfen, er glaube heimlich doch an dessen Existenz, würde dies aber aus Hass auf den armen Mann verschweigen. Weil er oder sie als Kind die falschen Geschenke bekommen hat oder so.

Dieser Vorwurf ist absurd. Lächerlich. Peinlich. Doch genau das werft ihr uns täglich vor. Lasst es bitte.

17 Gedanken zu „Nochmal zum Mitschreiben: Atheismus ist keine Religion!

      • In der Tat. Solchen Quatsch findet man nach meiner Erfahrung in jeder halbwegs umfangreichen Umfrage (wie zum Beispiel auch, dass Leute, die angeben, Politiker nicht zu kennen, sie dann trotzdem als gut oder schlecht bewerten…), und ich fürchte, nur sehr wenige davon wollen mit Absicht trollen.

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  1. Pingback: Über Kampfbegriffe und Gottesbilder | Man Glaubt Es Nicht!

  2. „Atheismus ist keine Religion.“
    Richtig
    „Atheisten behaupten übrigens auch nicht, dass es Jahwe mit Sicherheit nicht geben könne. Wir wissen es nicht, glauben aber nicht daran.“
    Falsch, Sie beschreiben Agnostiker.

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    • Diese Aussage stimmt nur gemäß der vom Vatikan vertretenen (und leider noch recht verbreiteten) Definition. Im Allgemeinen bezieht sich Theismus/A-Theismus auf den Glauben an einen Gott, Gnostizimus/A-Gnostizismus auf das Wissen.

      Beispiel: Ein agnostischer Theist glaubt an den Gott, ist sich aber nicht sicher. Ein gnostischer Atheist hat genügend Belege für die Nicht-Existenz gesammelt und ist daher gewiss.

      Ein paar Grundbegriffe finden sich hier erklärt: https://manglaubtesnicht.wordpress.com/2013/06/01/uber-kampfbegriffe-und-gottesbilder/

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      • Die Begriffe Gnostizismus & gnostisch können auf Deutsch nicht so benutzt werden wie im Englischen (also… ja man kann schon… nur führt es zu einer Verwirrung sondergleichen). Im deutschsprachigem Raum nehmen diese Begriffe Bezug auf die Gnosis (siehe Wikipedia) – sie werden also in einem anderen Sinn schon sehr lange benutzt.

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          • Was damit machen? Im lexikalisierten Sinne verwenden, dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend. Im Deutschen also etwa ‚eine Person mit der Geisteshaltung, die Existenz irgend eines göttlichen Wesens weder zu bejahen noch zu verneinen, dies rational mit unmöglich zu erwerbenden Wissen über jene Nicht-/Existenz begründet‘.

            Man kann sich natürlich auf Wortklaubereien und Neudefinitionen versteifen. Das machen zum Beispiel Esoteriker (auch so ein Begriff, der im sprachlichen Usus etwas andere Semantik hat als in der Enzyklopädie) besonders gern. Nur wozu? Nur, um zum tausendsten Mal bei dem Zitronenfalter zu landen, der keine Zitronen faltet?

            Viele Grüße

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            • Begriffe mit langer und intensiver Diskussionsgeschichte haben oft mehr als eine Bedeutung. Dazu gehören Agnostiker, Atheist, Humanist, Christ, etc.

              Ich find’s halt wichtig, dass man a. weiß, worüber man redet – sich also auf Arbeitsdefinitionen einigt – und b. nicht zwangsläufig die Definitionen seiner Gegner übernimmt. „Atheisten: Die leugnen Gott!!!“ ist die Definition des Papstes, die viele Leute dazu gebracht hat, sich lieber als Agnostiker zu bezeichnen. Trotzdem: Das Wort bedeutet etwas anderes. Wenn ich dem Diskussionsgegner die Definition der Begriffe überlasse, dann gebe ich ihm einen Vorteil.

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  3. Von wegen „Lasst es bitte.“: Natürlich werden sie es *nicht* lassen. Dagegen steht die katholische Missionierungspflicht, und die protestantische Nordkirche sammelt eben die Psychogramme der Einwohner, um sie dann noch spezifischer indoktrinieren zu können: http://kircheimdialog.de/Ihre-Meinung-zaehlt.22.0.html#c16
    So kleinliche Feinheiten wie eigentliche Wortbedeutungen sind da schlichtweg nachrangig. Fazit: Aufklärung bleibt eine Daueraufgabe.

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  4. Nun ja, ich denke Lehrsätze sind eher etwas Theologisches und ich würde Religion immer pragmatisch bestimmen, über ausgeübte Handlungen. Getreu dem Satz von Wittgenstein „Dem religiösen Menschen sind Wunder egal“ Auch die Theologie nimmt zur Kenntnis, dass die Wundergeschichten meist spätere Zutaten zum Bibeltext sind. (Es liegt nahe, sie zu verstehen als eingefügt, um Zweifel zu beseitigen.) Wenn man Religion pragmatisch bestimmt, kommt es darauf an, ob man Handlungen ausübt, die sich in Zusammenhang mit einem Denkgebäude setzen lassen. In diesem Sinne wäre z.B. das was man „predigen“ nennt, dem, was Sie hier tun recht ähnlich. Die Intuition, Atheismus als Religion zu betrachten speist sich aus eher aus solchen Quellen. Sie gehen darauf nicht ein. (Sie vernichten statt dessen mit großer Verve einen Pappkameraden.)
    Ja und sie glauben dann auch etwas, nämlich: Sie glauben offenbar daran, dass das Christentum das ist, was Papismus und Pietkong behaupten. (Franziskus ist kein Papist, Hut ab.) Weil das verletzend sein kann mit denen in einen Topf geworfen zu werden, müssen Sie sich nicht wundern, wenn es Gegenfeuer gibt.

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  5. @Bertram Reinecke
    Wer Religion „pragmatisch“ – „über ausgeübte Handlungen“ bestimmen will, der macht sich verdächtig, so schon das Ziel zu verfolgen, hinterher sagen zu können: „die machen es ja ähnlich“.
    Aufklärung sieht Religion dagegen ausdrücklich als Götterglaube, der ja tatsächlich das Basiselement der einschlägigen ausgeübten Handlungen wie den Gottesdiensten ist.
    Aufklärung wirft eben gerade Götterglauben, Astrologie, Globuli usw. in einen Topf, weil das Evidenzmaß ihrer Begründungen sich ähnelt. Wer das verletzend findet, soll sich ja fragen, ob sich Wunderglauben und Götterglauben unterscheiden.

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  6. Ja, ich lass mich das gerne fragen und die Antwort ist: Sie unterscheiden sich. Der Glaube an Wunder und der Glaube an Globuli setzen falsche Annahmen über die Naturgesetze voraus, die man ansonsten in seinem Leben implizit oder explizit einrechnet. Der Glaube an Gott muss das nicht tun. (Die Urknalltheorie nahm immerhin ein katholischer Priester Hubble voraus, nehmen Sie ihre Kontrahenten ruhig ernst!.)
    Die Aufklärung als Epoche litt in der Tat weithin unter dem, was ich das theologische Religionsmissverständnis nenne. Aber immerhin sind dort schon Geister wie Thomasius (der Ihnen als Verfasser einer berühmten Disputation wider Hexenverbrennung wert sein sollte) oder Hamann (der Ihnen als Kontrahent Kants vielleicht nicht so liegt) zu finden, die zumindest sahen, dass der pragmatischen Religionsauffassung größere Aufmerksamkeit zu schenken sei.
    Ihre definitorische Haltung, die für mich popularphilosophische Vorurteile des 18. Jahrhunderts aufnimmt, gäbe nachträglich den bigotten Synodalen recht, die Fichte im sogenannten Atheismussstreit des Atheismus bezichtigen, wogegen er sich scharf verwahrte. Diese meinten nämlich, das Glaube ursprünglich die Zustimmung zu bestimmten Lehrsätzen bedeute.
    Es gibt also gute Gründe, es so zu sehen wie ich es sehe. Sie können das gern verdächtig machen. Ich kann damit leben.

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